Mit 97 Punkten Mäuse fangen

Wenn irgendeiner 97 Punkte für 14 Fränkli anbietet, dann schliessen sich meine Synapsen im Hirn kurz, es raucht und qualmt, die Hände zittern, der Schweiss strömt in Bächen in meinen Bauchnabel und als Reaktion darauf, weil ich da sofort einen massiven FOMO Anfall bekomme, ich könnte was Grandioses verpassen, muss ich so Zeugs immer gleich kistenweise kaufen. So auch bei diesem Cuvée Particulière, ein Wein aus der AOP Cahors mit Jahrgang 2018.

Cahors ja, also nicht Bordoo und auch nicht Languedoc und erst recht nicht Burgund. Cahors ist quasi das Gegenteil des Burgunds. Hier wurde die Eleganz nicht erfunden, aber vielleicht hat man davon schon mal gehört. Nichtsdestotrotz holten sich hier schon Päpste, Könige und Zaren ihren Wein her und noch heute ist der «Cahors» in Russland der Messwein. Angebaut wird in der Region Cahors hauptsächlich Malbec, Merlot und Tannat, wobei die Cuvée immer mindestens 70% Malbec enthalten muss. Der Merlot rundet das Ganze meist etwas ab, die Tannat-Traube dagegen haut noch ne Schippe Grip obendrauf.

Bei der Cuvée Particulière sind es 90% Malbec und 10% Tannat. Das ist ein Mix, den ich in der Regel nicht kaufen würde (ausser es hat 97!!! Punkte und kostet weniger als 15 Franken). Da kommen wohl meine schwäbischen Gene zum Vorschein. Aber manchmal muss man den Mut haben, seine gewohnten Pfade zu verlassen. Plan B wäre, wenn es dann nicht schmecken sollte, alles zu Brasato zu verkochen. Man soll ja auch beim Kochwein nicht schmürzelen, gell! Also 12 Flaschen in den Einkaufskorb.

Lift-Degu

Das Beste an dem Wein: Er hat nicht nur Punkte wie sie sonst nur Mouton oder Petrus bekommen, nein – er hat auch eine Platin-Medaille. Platin hä, kein schnödes Gold oder gar billiges Silber – P L A T I N ! Extrem selten, extrem teuer – also das Platin. Vom Wein scheint es etwas mehr zu geben, aber egal. Platin – 97 Punkte zu 14 Stützli. Man kann ja nicht immer nur vom Teuren saufen. Nein, man muss auch mal mit beiden Füssen auf dem Boden bleiben – Basis trinken. Es heisst sowieso schon oft genug, der Uehlinger ist total abgehoben und säuft nur vom Teuren, dabei hat er überhaupt keine Ahnung von Wein, aber immer schön einen sitzen de Schnurri da – cheibe Wiibanaus da, sapperlot!

Ja, jetzt haben Sie mich durchschaut, dass ist die pure Image-Pflege hier. Mit Speck fängt man Mäuse und mit Platin und 97 Punkten den Uehlinger und mit abgedroschenen Phrasen und einem Clickbait Titel die Blogleser, hihi…

Auf der Homepage von meinem Dealer heisst es: «Cuvée Particulière», die Nummer Eins: Einziger Wein aus dem Südwesten mit 97 Punkten und Platinmedaille bei den DECANTER World Wine Awards.

Zu Awards in der Food Branche muss man Folgendes wissen: Jeder kann was einsenden und für garantiert jeden gibt es in der Regel etwas zu gewinnen. Und wenn Sie nichts gewinnen, dann gründen Sie eben den eigenen Verein und vergeben dort eben eigene Medaillen. Und wenn das auch nichts nützt, dann ruft man Luca Maroni an.  

«…97 Punkte! – und Platinmedaille (DECANTER World Wine Awards 2020) – derart hoch wurde die in der Tat glorreiche „Cuvée Particulière“ von Château Lamartine – bei allem Erfolg – noch nie ausgezeichnet […] Eine Top-Cuvée mit sensationellen 97 Punkten. Die Nummer 1 des Südwesten! Ihre Qualitäten überzeugen dabei erneut auch die Fachpresse.»

Ja Sie haben es richtig gelesen, die Fachpresse. Damit bin wohl ich gemeint. Aber ich habe ja keine Musterflasche bekommen. Dann kaufe ich eben 12 davon und bestelle beim Metzger gleich auch noch ein Stück vom Rinderbraten dazu. Sicher ist sicher.

Und wenn ich so darüber nachdenke, jetzt wo ich das schreibe, muss ich schon sagen, die hellste Leuchte bin ich ja nicht. Ist ja nicht so, als hätte ich das Experiment noch nie gemacht. Und bisher war ich jedes Mal froh, hat mir meine Mutter immer alles dankbar abgenommen. Ja, ihr Gaumen ist da wesentlich einfacher gestrickt als mein verwöhnter Schluckapparat. Und weil meine Mutti alles liest, was ich so von mir gebe, an dieser Stelle einen lieben Gruss.

Was ist da im Glas?

Aber zurück zum Thema: Malbec ist ja unter Kennern (wie ich gerne einer sein möchte) so ein bizz verpönt. Der Grund dafür ist relativ einfach: Aus dem Zeugs machen sie oft so klebrigen Wein und stellen den dann für 5.50 in die Discounter. Null Struktur und so. Aber Sie als Kenner wissen das ja. Und mit dem Tannat ist es so, dass auch die Kenner das kaum kennen (ausser die geprüften Sommeliers, Weinakademiker und WSET Level 4 Kandidaten). Aus Tannat macht man ebenso burschikose Weine mit viel Tannin. Und daher steht das bei Eleganz-Trinkern nicht sehr hoch im Kurs. Und beides zusammen tönt dann so als würden Sie den Sirup mit einem Schuss Cola aufspritzen, damit es nicht ganz so klebrig wirkt.

Wie dem auch sei, langsam gehen mir hier sowieso die Ideen aus, um die anständige Länge eines 600 Wort starken Blogbeitrages zu erreichen. Immerhin ist es ja kein Mouton, sondern eben «nur» ein Südfranzose – also nicht übertreiben!

Meine Mutter wird sich an der Stelle wohl schon wieder heimlich freuen, dass ich ihr den Keller fülle und Sie, werte Lesende, Ihnen schläft vermutlich schon das Gesicht ein. Daher will ich Sie beide nicht mehr länger auf die Folter spannen. Fazit: Wie vom Verkäufer empfohlen, habe ich die Cuvée Particulière knappe zwei Stunden dekantiert. Ich mach das übrigens immer im Keller. Dort öffne ich die Flasche, probiere ein Schlücklein und fahre dann mit dem Rest im Glas mit dem Lift nach oben. Ich freue mich dann immer wie ein kleines Kind, wenn ein Nachbar in den Lift steigt und diesen leicht irritierten Gesichtsausdruck bekommt, weil er mich da in den Finken und mit einem Glas Wein in der Hand im Lift sieht. Ich schnuppere dann immer noch ein wenig, nippe affektiert am Glas, schlürfe, sürple und schmatze dabei ununterbrochen. Herrlich!

Diesmal ist es so liebe Mutti: Du bekommst natürlich etwas von dem Wein. Aber den Rest werde ich behalten. Nicht um etwa den Schmortopf damit zu füllen, sondern zur inneren Pflege meiner selbst. Denn A ist der Wein ganz gut, ja er macht sogar richtig Spass. Da ist ordentlich Druck, er hat eine gute Struktur, ist very well balanced, zeigt einen geilen Grip, viel schöne Frucht, und ne mineralische Note, die ihm somit tatsächlich auch Eleganz verleiht. 97 würde ich ihm nicht geben, aber solide 92 Pünktli schon. Und B: Tannat ist ja wirklich die gesündeste Traubensorte der Welt. Also tue ich mir Gutes, wenn ich diesen Wein trinke. Denn man soll ja auch mal ab und zu etwas für die Gesundheit unternehmen.

Saluté

PS: Der regelmässige Leser hat es gemerkt: Erst vor kurzem habe ich mich ja noch über Punkte foutiert. Der Umstand, dass das jetzt so dasteht, ist der wahre Grund, dass ich das hier eigentlich zuerst geschrieben habe. Seitdem fahre ich im Lift auf und ab und wartete bis einer ein gutes Foto machte. Ein gutes Foto gab es nicht, darum halt diese da. Sorry, gäll!

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