Besuch beim Löwen: 24x Léoville Las Cases.
Jean-Pierre Monsch ist bekannt dafür, dass wenn er eine Degu organisiert, diese meist mit einer ganzen Reihe von hochkarätigen Weinen bestückt ist. Dieses mal am Start: 24 Jahrgänge des Château Léoville Las Cases. 2eme Grand Cru Classé aus St-Julien. Dieses grösste der drei Léoville Güter (97 Hektar Rebfläche), das im Besitz der Familie Delon ist, grenzt im Norden an die Parzellen von Château Latour (Pauillac) und produziert mit hoher Zuverlässigkeit einen der besten Weine des Médoc. Ich durfte vor einigen Jahren schon einmal eine «kleine Vertikale» des Löwen verkosten und war umso gespannter, wie sich die im Wallis bereits probierten Jahrgänge dieses Mal präsentieren.
Die jüngeren Las Cases Weine wurden ca. zwei Stunden vor der Verkostung doppelt dekantiert und wieder in die Original-Flaschen gefüllt. Die älteren Jahrgänge wurden kurz vor der Verkostung vom Depot getrennt und in «neutrale Flaschen» gefüllt. Serviert und bewertet wurden alle Weine 100% blind. Eines vorweg: Es waren ein paar wirklich grosse Weine mit dabei, allen voran der bezaubernde 1996er sowie der 2015er, aber auch der 2005er, 2009er, 2010er, 2016er oder 1990er präsentierten sich wunderschön. Leider war auch der eine oder andere Korkfehler mit am Start und die 1989er Flasche war schlicht «hinüber» (vermutlich sehr schlecht gelagert). Ein absolutes Highlight war dagegen ein ausgezeichnet gelagerter 1961er und eine ebefalls erstaunlich gute Flasche des 1928ers.
Nachfolgend meine Notizen zu den Weinen. Es sind wie immer Momentaufnahmen, die in 4er-Flights während rund 20 Minuten pro Flight entstanden sind.
1928, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Helles Granatrot. Burgundisch anmutende Nase, ein Gedicht, rotfruchtig, würzig, auch Pilze, Kaminfeuer, Käserinde, spannend, wow, entwickelt sich mit Luft sehr rasch, ein Wechselbad der Gefühle, geht immer mehr in Richtung Madeira, zeigt eine grosse Komplexität, wirkt aber auch fragil und etwas irritierend. Im Gaumen straff, merklich Säure, reife Fruchtaromatik, fast etwas Grenache-like, Erdbeerkompott, baut ordentlich Druck auf, die Gerbstoffe sind abgeschmolzen, der Wein lebt von der Säurestruktur und hat einen sehr, sehr langen Abgang. Nobelst gereift, sehr eindrücklich. Trinken. 93 vvPunkte
1961, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Helles Rubin. In der Nase filigran, sehr feindduftig, Aromen von Tee, getrockneten Rosen, Himbeeren, kühlem Stein, Herbstlaub, ein Gedicht, man wähnt sich im Chambolle doch man weiss, es ist Las Cases. Schlanker Auftakt, feine, sehr delikate Frucht, die Tannine sind abgeschmolzen, in perfekter Harmonie mit einer delikaten Frucht, mittlerer Körper, sehr ausgewogen, hier ist alles an seinem Platz, eine richtig grosse Balance zeigt dieser Wein. Im Abgang wieder rotfruchtig, tänzerisch leicht, lang und finessenreich. Grosses Altwein-Kino und eine super Flasche. Trinken. 96 vvPunkte
1971, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Mittleres Granatrot. Reife, malzige Nase, warm anmutend, dahinter Granatapfel, Himbeeren, Backapfel. Im Gaumen kräftig, kantig, markante Säurestruktur, noch immer etwas Gerbstoff, wirkt etwas burschikos, aber nicht uncharmant, hat Charakter und eine gute Länge. Trinken. 90 vvPunkte
1978, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Reifes Granat. In der Nase sehr, sehr zurückhaltende, braucht Zeit und einen guten Riecher, zeigt dann eine durchaus eine gewisse Tiefe, florale Töne, auch Süssholz, Rauch, entwickelt sich positiv mit Luft, wirkt eher dunkelfruchtig. Im Gaumen straff, mittlerer Körper, abgeschmolzene Gerbstoffe, gute Säurestruktur. In sich stimmig, klassisch, «Old School Bordeaux» und mit guter Länge und Balance. Eine positive Überraschung. Trinken. 92 vvPunkte
1979, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Kork… Keine Bewertung
1982, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Dunkles Rubinrot. Intensiver Duft, dunkelfruchtig, rauchig, Cassis, Minze, Salbei, Süssholz. Im Gaumen mit mittlerem Körper, zeigt Wärme, eine gewisse Opulenz, aber auch Eleganz, präzis dosierte Gerbstoffe, baut aus, wirkt reifer im Gaumen als die Nase verspricht. Sehr gute Länge, feine Würze, endet auf einen Mix aus roten und dunklen Beeren. Trinken bis 2030. 93 vvPunkte
1983, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Mittleres Rubinrot. Dunkelfruchtige Nase, eher zurückhaltend, kühl. Im Gaumen mit einer gewissen Reife, zeigt merklich Gerbstoff, wirkt etwas wild, zeigt einen mittleren Körper bei guter Struktur. Im Abgang jedoch nicht sonderlich lang und trocknend. 88 vvPunkte
1985, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Kork… Keine Bewertung
1986, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Sehr zurückhaltende Nase, verhalten, still, nobel, rotfruchtig, auch etwas staubig. Im Gaumen straffer, karger, zeigt einiges an Tannin, dieses ist dezent trocknend, doch da ist auch eine noch jugendliche Frucht, schwankt irgendwo zwischen zwei Welten, jung und wild, gereift und etwas gar stark strukturiert, ob das zusammenfinden wird? In der Hoffnung auf eine gute Entwicklung, 92+ vvPunkte
1988, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Gereiftes Bordeauxrot. Offene, feinduftige Nase, entwickelt sich mit Luft schön, wird immer komplexer und tiefgründiger, zeigt grüne Paprika, eine rote Beerenfrucht, wirkt kühl. Im Gaumen kräftig, mit Druck und knackiger, roter Frucht, ein Mund voll Wein, jedoch nicht schwerfällig, zeigt merklich Gerbstoff, eine gute Säurestruktur, wirkt lebendig, energetisch, zeigt Ecken und Kanten. Endet langanhaltend, steinig, kühl. Ein klassischer Bordeaux, jetzt auf dem Peak, bis 2030 92/100 vvPunkte.
1989, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Mittleres Bordeauxrot, aufgehellter Rand. In der Nase Fleischbouillon, Maggie/Liebstöckel, wirkt sehr gereift, das riecht nach keiner guten Flasche. Im Gaumen warm und füllig, mit Opulenz, einer von etwas trockenem Gerbstoff geprägten Struktur und einer milden Säure. Gute Länge. Insgesamt aber wenig Harmonie. Ich würde das als «sehr schlechte Flasche» abbuchen. 85 vvPunkte
1990, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Gereiftes Rubinrot. Die Nase zeigt Tabak, Rosen, Veilchen, Kirschen, Rauch, ein Gedicht, das ist kein Wein, das ist ein Parfum. Der Gaumen wirkt auf den Punkt gereift, Säure und top integrierte, bereits abgeschmolzene Gerbstoff halten eine reife Frucht in Schach, alles ist gut verpackt, aufeinander abgestimmt, der Wein zeigt Eleganz, Finesse und eine sehr gute Länge. Klassisch Bordeaux auf sehr, sehr hohem Niveau. Jetzt bis 2030. 95 vvPunkte
1996, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Mittleres Rubin. Feinduftige Nase, feminin, tiefgründig, dezent Ruch, viel Floralität, auch kräuterige Noten, Tee, Zedern, ein Gedicht. Im Gaumen zugänglich, rund, für mich genau so, wie ich Bordeaux liebe, auf den Punkt gereift, dennoch frisch, seidenweiche Tannine, perfekt dosierte Säure, hier steht alles an seinem Platz, das ist Balance pur. Langer, harmonischer Abgang, Klasse! Ich gebe zu, von diesem Wein habe ich nichts gespuckt. Jetzt bis 2035 97/100 vvPunkte
1998, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Kräftiges Rubin. Reiffruchtige Nase, noch recht jugendlich anmutend, Lakritze, dunkle Beeren, Kirschen, Weihnachtsgebäck, kühle Asche. Im Gaumen gradlinig, frisch, saftig, knackige Frucht, merklich, jedoch feines Tannin, wirkt noch sehr jugendlich, aber balanciert. Endet rotfruchtiger als die Nase vermuten lässt, würzig, sehr lang. Jetzt bis 2038 92 vvPunkte
2000, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Reifes Rubinrot. Offene, schön gereifte Nase, so mag ich Bordeaux am liebsten, viele Kräuter, Cassis, Minze, Tee, Veilchen, Leder, hochkomplex. Im Gaumen zugänglich, weich, rund, packt dann zu, zeigt Struktur und einiges an Körper, die feine Säure belebt, markante Gerbstoffe halten die Frucht in Schach. Charaktervoll, energiegeladen, mit einem ausgezeichnet langen Abgang. Ein Las Case wie aus dem Bilderbuch. Jetzt bis 2040+ 95 vvPunkte
2003, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Kräftiges Rubin. Rauchige Nase, wirkt exotisch, dunkle Frucht, Teer, Kaffee, Kräuter, Eukalyptus, Kalk, mit mehr Luft auch laktische Töne, tanzt in dieser Serie aus der Reihe. Im Gaumen warmfruchtig, wirkt auf mich sehr «new World», irritierend, qualitativ nicht schlecht, nein, im Gegenteil, entwickelt sich mit der Zeit, wird präziser und schlanker, zeigt noch jugendliche Gerbstoffe und eine sehr gute Länge. Jetzt bis 2035+ 93 vvPunkte
2004, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Anfangs zurückhaltend, kühl, tiefgründig, Mokkajoghurt, Stein, schwarze Kirsche, Lebkuchen. Der Gaumen ist straff, gut strukturiert, zeigt Energie, Balance, hat Würze und Rasse. Im Abgang mit etwas gar viel Hitzigkeit, aber auch guter Länge. Jetzt bis 2040. 93 vvPunkte
2005, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Mittleres Rubin, noch violette Reflexe. Tiefgründige Nase, Mokka, Tee, Kirschen, darüber getrocknete Rosen, Veilchen, floral und fruchtig, gleichzeitig sehr steinig. Im Gaumen gradlinig, opulent, konzentriert, dicht, knackige Frucht, feine Gerbstoffe, top Säure, einerseits noch wild und fast etwas ungestüm, doch mit der Luft baut dieser Wein herrlich aus und zeigt im Abgang eine ausgezeichnete Länge. Hier ist alles an seinem Platz. Jetzt, dekantieren, bis 2040+ 96 vvPunkte
2006, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Jugendliches Rubin. In der Nase mit mittlerer Intensität, tiefgründig, dezent rauchig, Cassis, Brombeere, Leder, kühler Kamin, Gräser, komplex. Im Gaumen noch jugendlich, sehr fruchtbetont, fast schon Himbeergelee, kitschig, nein, das ist eine schöne Frucht, knackig, faszinierend, elegant, noch zu jung, mit markanten, qualitativ hochwertigen Tanninen. Im Abgang noch etwas wild, braucht noch 3-5 Jahre und dürfte dann seinen ersten Genusshöhepunkt finden. 2026-2045+ 93 vvPunkte
2008, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Jugendliches Rubinrot. Kühl anmutende, leicht laktische Nase, etwas Mokka, blonder Tabak, Kräuter, schwarze Johannisbeere. Im Gaumen straff, fruchtbetont, noch jugendlich, wild, wirkt im Gegensatz zur Nase hier fast etwas hitzig, zeigt feine Gerbstoffe, eine gute Säure und im Abgang eine sehr schöne Länge. Der Wein tanzt zwischen Hitze und Frische, Kraft und Eleganz hin und her. Gefällt mir insgesamt sehr gut. 2023 bis 2038+ 94 vvPunkte
2009, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Jugendliches Rubin. In der Nase kühl, steinig, distanziert, wirkt frisch, zeigt Noten von Holunder, Himbeeren, Kaffee, Gewürzen, auch florale Töne, sehr schöne Nase. Im Gaumen zugänglich, charmant, einerseits rund und weich, strahlt der Wein eine gewisse Wärme aus, andererseits ist da auch viel Frische mit im Spiel, eine feine Säure stützt, die Gerbstoffe sind von höchster Qualität. Im Abgang sehr ausgewogen und lang. Ein Wein, bei dem Wärme und Kraft auf Eleganz und Leichtigkeit treffen. Jetzt (dekantieren) bis 2045+ 96 vvPunkte
2010, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Dunkles Rubin. Kräftige, sehr expressive Nase, komplex, vielschichtig, tiefgründig, neben einem Mix aus reifen Waldbeeren auch etwas Mokkajoghurt und Weihnachtsgewürze. Im Gaumen üppig, reiffruchtig, warm anmutend, anfangs erstaunlich zugänglich, doch dann packt die Struktur des Weins zu, eine Wand aus Gerbstoff zeigt ihre Zähne, baut im Gaumen mächtig aus, wird gegen hingen immer schlanker, balancierter und endet ausgesprochen langanhaltend. Persönlich gefällt mir der 09er besser, doch wer weiss, was in 20 Jahren ist… 2024 bis 2045+ 95+ vvPunkte
2015, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Kräftiges Rubin. Zurückhaltende, noble, noch etwas vom Holz geprägte Nase, noch sehr jugendlich, deutet eine grosse, aromatische Komplexität an, doch ist noch weit weg von einem «expressiven» Bouquet. Im Auftakt straff, jugendlich, frisch und noch ungestüm, äusserst präzis, hochelegant, saftig, knackig und balanciert, der Wein scheint über die Zunge zu schweben, zieht sich im Abgang sehr lange hin und endet rotfruchtig. Ein Hit und in dieser Serie mein Lieblingswein. Grandios, aber bitte noch einige Jahre warten… Ab 2027 bis 2047+ 97 vvPunkte vvPunkte
2016, Château Léoville Las Cases, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich. Dunkles Rubinrot. Die erste Nase wirkt eher warm, ja fast hitzig, zeigt deutlich Noten von Weihnachtsgebäck und reifen, dunklen Früchten, entwickelt sich mit Luft, wird feinwürziger und mit jeder Minute frischer. Im Gaumen wiederum würzig, erstaunlich zugänglich, kräftig, mit markanter Tanninstruktur, einer hervorragenden aromatischen Komplexität, das ist druckvoll, zeigt viel Power, aber dennoch Finesse. Im Abgang sehr, sehr lang. Ein Wein, der noch 10 Jahre + reifen muss, aber auch kann. Da kommt noch mehr. 2030-2055+ 96+ vvPunkte
An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an Jean-Pierre Monsch für die Initiative und Organisation des Events. Was kommt als nächstes…?
Dein Kommentar
Want to join the discussion?Feel free to contribute!