Grieche im Geiste; und im Glas.
Sie sind enge Freunde, die beiden Gründer von griechischerwein.shop, und sie haben ihre gemeinsame Passion für griechische Weine während 20 Jahren auf diversen Reisen nach Griechenland gefunden. Sie, das sind Benjamin Frutig, gelernter Koch, Gründungspartner und Grieche im Geiste, wie es in seiner eMail-Signatur lautet, und Markus Baumgartner respektive «Kusy», wie er sich im Berner Dialekt nennt. Gemeinsam spinnten sie schon vor mehreren Jahren an der Idee herum, einige bis dato in der Schweiz nicht erhältliche, griechische Weine auf eigene Faust zu importieren und so aus ihrer Not (die Weine «zu Hause» nicht kaufen zu können) eine Tugend zu machen. 2019 realisierten die beiden dann ihren Traum und bieten in ihrem Online-Shop seither rund 30 verschiedene Weine aus verschiedenen Regionen Griechenlands an.
Es ist ein mutiger, und im Kontext des doch recht kompetitiven Weinmarkts in der Schweiz, ein nicht ganz risikoloser Schritt. Denn sind wir mal ehrlich: Wer wartet schon auf einen neuen Weinhändler? Und wer um Zeus‘ Willen möchte hier bei uns griechische Weine kaufen? Dabei sind die Weine wirklich faszinierend und ich wette auf Dionysos (Gott des Weines und der Ekstase) und Aphrodite (Göttin der Schönheit, Liebe und der sinnlichen Begierde), dass manch einer, der sie mal probiert hat (die griechischen Weine, nicht die Aphrodite), ein Faible für sie entwickeln wird.
Griechenlands Weinwelt teilt sich grob gesagt in vier Grossregionen auf: Erstens der Norden, mit den wichtigen Regionen Macedonia, Epirus und Thessaly, zweitens Zentralgriechenland (Sterea Ellada), drittens Südgriechenland mit dem Pelopennes und Kreta und viertens die Ägäischen Inseln, zu welchen unter anderen die bekannte «blau-weisse» Insel Santorini gehört. Zwischen den nördlichsten Anbauregionen und der Insel Kreta liegen rund 800 Kilometer Luftlinie und so erstaunt es nicht, dass das Land über eine hohe Varietät an Traubensorten (rund 600 verschiedene Rebsorten gedeihen in Griechenland) und Weinstilistiken verfügt.
Einen kleinen Ausschnitt davon verkostete ich am letzten Samstag Morgen, zusammen mit den beiden griechischerwein.shop-Gründern Benjamin und Markus sowie ihrer reizhaften, wenn auch ganz und gar nicht-griechischen Begleitung. Meine Gemütslage vor der Verkostung war – zurückhaltend ausgedrückt – «neutral», erwartete ich doch eher schwerfällige, massige Weine mit viel Extrakt, hohem Alkoholgrad und wenig Finesse. Ins Glas kamen dann aber teils überraschend filigrane und erstaunlich komplexe Weine. Die entstandenen Verkostungsnotizen möchte ich meinen Lesern darum nicht vorenthalten.
2018, Wine Art Estate – Plano Assyrtiko, Drama, Makedonien, Griechenland (100% Assyrtiko, kühl vergoren, im Stahltank ausgebaut). Mittlers Gelb, grünliche Reflexe. Die Nase zeigt deutliche Noten von Zitrusfrüchten, viel süsser Grapefruit und dezent getrockneten Kräutern. Im Gaumen sehr fruchtbetont und frisch, die eindrückliche Fruchtsüsse wird durch eine gut eingebundene Säure gekontert, solid in der Struktur und mit einer leicht exotischen Aromatik, die sich im angenehm langen Abgang mit Noten von grünen Äpfeln und reifen Limetten paart. Ein gelungener Apérowein aus dem Norden Griechenlands, hat das Potential «Everybody’s Darling» zu werden. Bis 2023 geniessen, 17.5 vvPunkte (89/100).
2018, Ktima Tselepos – Mantinia PDO, Peloponnes, Griechenland (100% Moschofilero). Intensive Nase, sehr expressiv und duftig, erinnert an Moscato und Gewürztraminer, zeigt dezent weisse Blüten. Im Gaumen rund und weich, mit Schmelz aber relativ wenig Struktur und einer moderaten Säure. Im Abgang kurz und mit markanter Bitternote. Trinkt sich wie ein trockener, einfacher Moscato. Als Einstieg in einen fröhlichen Nachmittag durchaus einsetzbar, mir persönlich aber etwas zu banal. Jung und kühl geniessen. 16.5 vvPunkte (84/100).
2017, Wine Art Estate – Idisma Drios Assyrtiko, Drama, Makedonien, Griechenland (100% Assyrtiko, 5 Monate Eichenfassausbau). Kräftiges Gelb. Intensive Nase, anfangs deutlich vom Barrique geprägt, viel Vanille, auch Mokkajoghurt, braucht Zeit, zeigt dann mit mehr Luft eine reife Apfelfrucht, Quitte, Blütenhonig, sehr komplex. Im Gaumen vollmundig und rund, sehr reife Frucht, eher moderate Säure, das Holz wirkt gut eingebunden, verleiht Würze und eine zusätzliche Komplexität, der Wein hat Druck, Struktur und eine gute Persistenz, endet wiederum würzig und durchaus lebhaft. Ein Speisebegleiter zu reifem Käse, einem Preiselbeer-Huhn oder zu asiatisch zubereiteten Scampi. Für Opulenz-Liebhaber. Ab sofort bis mindestens 2024. 18 vvPunkte (90/100).
2018, Douloufakis Winery – Aspros Lagos White, Kreta, Griechenland (100% Vidiano, klassisch bei 20°C vergoren, in Eichenfässern ausgebaut). Anfangs verhaltene Nase, braucht etwas Zeit, wirkt subtil, zeigt Tiefe, strahlt einerseits Wärme aus, wirkt dann aber auch distanziert und kühl mit Aromen nach reifen Zitrusfrüchten, kandierten Äpfeln, Aprikosen und nussigen Noten. Im Gaumen füllig, mit merklich jedoch gut eingebundenem Holz, die Frucht wirkt auch hier reif, wird jedoch von einer guten Säure gepuffert, sehr gut strukturiert, mit Würzigkeit, Druck und einer beeindruckenden Länge im Abgang. Profitiert von etwas Belüftung… «And I show you how deep the rabbit hole goes…» Jetzt bis 2025 geniessen. 18 vvPunkte (91/100).
2018, Canava Chrissou – Santorini, Santorini, Griechenland (100% Assyrtiko, von alten Buschreben, im Stahltank ausgebaut, reift 3 Monate auf der Feinhefe). Mittleres Gelb. Was für eine Nase, tiefgründig jedoch anfangs eher zurückhaltend, sehr nobel, das Meer lässt grüssen, Salz, Wind, Erde, Stein, Blüten und Gräser, wow, zum Eintauchen. Im Gaumen straff, zeigt Druck und Schmelz, ungemein schöne Balance, reife Zitrusfrucht, top Säure, bleibt trotz viel Körper sehr elegant, das erinnert fast etwas an einen Godello aus Galicien. Der Wein hallt im Abgang sehr lange nach, hinterlässt eine deutlich salzige Note. Hervorragend. So kann griechischer Wein! Da fehlen jetzt nur noch Langusten vom Grill, Sonne, eine rund 25 Grad Celsius höhere Temperatur und dazu eine kühle Meeresbrise. Bis 2025+ geniessen, 18.5 vvPunkte (92/100).
2018, Canava Chrissou – Santorini «Laoudia», Santorini, Griechenland (100% Assyrtiko, etwas später gelesen und in der Amphore ausgebaut). Kräftiges Gelb. Feinduftige Nase, auch dieser Wein ist anfangs eher zurückhaltend, wirkt filigran, zeigt Blüten, Gräser, auch getrocknete Kräuter und reife Zitrusfrüchte. Im Gaumen lebhaft, energetisch, wirkt etwas offener als der «normale Assyrtiko», zeigt ungemein viel Schmelz und Fülle, dabei jedoch keine Schwerfälligkeit, top strukturiert, die 14.5 Umdrehungen sind perfekt integriert und eine wunderbare Säure zieht die Aromen von reifen Zitrusfrüchten, Pfirsich und Litschi in den langen Abgang. Das ist volle Power auf dem Hochseil, würzig, komplex und trotz viel Opulenz frisch. Jetzt bis 2025+ zum Essen geniessen, 18.5 vvPunkte (92/100).
2017, Douloufakis Winery – Dafnios Red, Kreta, Griechenland (100% Liatiko, eine autochthone Sorte aus Kreta, 12 Monate im Barrique ausgebaut). Mittlerers Rubin, aufgehellter Rand. Die Nase ist ausgesprochen würzig, zeigt viele Nelken, Wachholder, Myrte, Garrique-Sträucher, Süssholz, dahinter eine reife, rote Frucht die an eingemachte Erdebeeren und Rhabarber erinnert, sehr komplex. Im Gaumen offenherzig, mit warmer Frucht, gut eingebundenem Alkohol und einer sehr guten Struktur, lebhfaft, fast etwas wild, mit Ecken und Kanten und doch innerlich bei sich. Ein ehrlicher, herzhafter Wein, stilistisch irgendwo zwischen Ätna, Piemont, Burgund und einem traditionellen Rioja anzusiedeln. Baut mit Luft auch am zweiten Tag noch aus, Trinkspass pur. Jetzt bis 2025+, 18 vvPunkte (90/100).
2016, Markovitis Winery- Markovitis Xinomavro, Naoussa, Griechenland (100% Xinomavro aus einem einzigen Rebberg von einem jungen, hochmotivierten Winzer, der lediglich diesen einen Wein produziert. Früher, als der Wein noch vom Vater vinifizierte wurde, hiess er Pegasus und wurde primär für den amerikanischen Markt produziert. Doch mit der Übernahme durch den Sohn wurde der Wein in Markovitis umgetauft. Er repräsentiert einen eigenständigen, frischen Stil. Ausbau in 100% gebrauchten Fässern). Die Farbe präsentiert sich in hellem Rubin, erinnert an einen Pinot Noir. Die Nase ist expressiv, ein Duft, der förmlich aus dem Glas springt, erinnert mich anfangs an einen Cabernet Franc von der Loire, wirkt krautig mit Noten von Tomatenstilen, auch reifen Himbeeren, Kirschen, dazu kühler Rauch, deutlich vom Terroir geprägt, entwickelt sich mit Luft und Zeit mehr und mehr in Richtung eines Nebbiolo, komplex. Der Gaumen ist knackig, frisch, zeigt markante, teils auch etwas kantige Tannine, bei einem leichten bis mittleren Körper. Der Wein hat relativ viel Struktur für die vorhandene Frucht, wirkt ungemein trocken, straff, energetisch und hat definitiv eine Seele. Im Abgang wieder krautig und mit guter Persistenz. Kein einfacher Bursche und sicherlich ein Wein für Menschen, die Ecken und Kanten mögen. Die Bewertung mit einem emotionalen Bonus-Punkt, weil mir der Stil sehr gut gefällt. Jetzt bis 2024, 18 vvPunkte (90/100).
2016, Ktima Driopi – Driopi Nemea, Reserve, Peloponnes, Griechenland (100% Agiorgitiko, Ausbau in zu 100% neuen Barrique-Fässern). Leuchtendes, sehr dichtes Rubin. In der Nase viele Gewürze, schwarze Schokolade, Nelken, Pfeffer, Haselnuss und Minze, dazu ein Mix aus roten und dunklen Beeren, reife Himbeeren, Brombeeren, Blaubeeren aber auch Pflaumen, sehr komplex. Im Gaumen straff, konzentriert, mit satter Frucht und ungemein viel Druck, sehr gut strukturiert, mit markantem, fein gewobenem Tannin, das sich erst ganz hinten im Abgang zeigt. Hervorragende Balance, gute Länge. Ein moderner, perfekt vinifizierter Wein, der mit etwas Luft jetzt schon Spass macht und dennoch gut reifen dürfte. Für meinen persönlichen Geschmack etwas «zu gemacht» und klar im internationalen Stil, jedoch definitiv von sehr guter Qualität. Jetzt (mit Dekantieren) bis mindestens 2028. 18.5 vvpunkte (92/100).
Mein Fazit: Einmal mehr darf ich mich von einem falschen Vorurteil verabschieden und meinen Lesern von Herzen empfehlen, sich ganz im Sinne von Hermes (Gott der Diebe, des Handels und der Reisenden) nicht weiterhin heimlich davonzustehlen, sondern mit wenigen Klicks ein paar Flaschen griechischen Wein zu bestellen, um sich so auf eine olfaktorische Reise nach Griechenland zu begeben. Denn Aristoteles hatte sicher nicht unrecht mit seiner Aussage: «Abwechslung ist von allem das Süsseste, wie der Dichter sagt.»
Die Weine sind einzeln oder auch als fertig zusammengestelltes Probepaket bei griechischerwein.shop erhältlich. Jede Bestellung wird nicht nur Demeter (Göttin der Fruchtbarkeit, der Erde und des Ackerbaus) freuen, sondern auch das junge, hochmotivierte Team von griechischerwein.shop, die im hart umkämpften Weinmarkt Schweiz eine echte Chance verdient haben.
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[…] zwei Jahren Weine aus Griechenland und darunter waren auch ein paar Weine aus der Sorte Assyrtiko (den Bericht dazu findet man hier). Diese weisse, autochthone Sorte faszinierte mich so sehr, dass ich während den letzten Jahren […]
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