Unter der Linde in Lengnau.

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Weinchecker. Ein Wein, zwei Meinungen. So lautet das Motto von Jürg Freudiger und Thorsten Kaletsch, die zusammen einmal pro Woche einen Wein verkosten und diesen auf ihrem Blog beschreiben. Doch was passiert, wenn sich die beiden Weinchecker mit einem weiteren Blogger treffen? Nein: Nicht ein Wein und drei Meinungen sondern viele Weine und viele Meinungen.

Wenn drei sich treffen: (v. l.) Thorsten Kaletsch, Adrian van Velsen und Jürg Freudiger.

So oder ähnlich geschah es vor einigen Tagen in Lengnau, irgendwo im Niemandsland zwischen Solothurn und Biel, wo die Gartenzwerge noch hübsch geordnet in den wohl dressierten Vorgärtchen stehen und abgesehen von ein paar zerrissenen Hosenbeinen an der Bushaltestelle noch nichts auf eine verwilderte Jugend schliessen lässt. Im Gegenteil. Es ist ruhig hier und beschaulich, die Damen duften nach einem etwas gar süssem Vanille-Parfum und mangels eigenen Weinbaus verkostet man hier lieber Aargauer Weine. Naja, wir drei an diesem Abend zumindest.

Ursprung des Treffens war der 2005er Unter der Linde Pinot Noir, den die beiden Weinchecker für einmal unisono mit 15 resp. 15.5 Punkten verrissen haben. Postwendend kam die Antwort des Winzers Michel Jaussi. Aber nicht in Form von wutentbrannten Argumenten sondern als gut gefülltes Paket. Zwei weisse Flaschen «Unter der Linde» und vier Jahrgänge des Pinot Noir «Unter der Linde». Zusammen mit den beiden Weincheckern Jürg Freudiger und Thorsten Kaletsch verkostete ich die Weine offen und in einem weinfreundlich entspannten Rahmen.

Die sechs verkosteten Weine (c) vvWine.ch

2016, Unter der Linde, Aargau AOC: Helles Gelb, schöner Glanz. Die Nase ist offen, zeigt weisse Blüten, Pfirsich, Grapefruit, Gräser, dezent Tee-Kräuter, sehr schön integriertes Holz. Im Gaumen schlank, gradlinig, strukturiert, sehr saftig, präzis, reife aber nicht überreife Frucht, mittlerer Körper, sehr feine Textur, die Cremigkeit wird von einer wunderbaren Säure balanciert, diese verleiht Zug und Frische. Im Abgang sehr lang, endet auf weissen Pfirsich, Grapefruit und Limette. Stilistisch und qualitativ sehr ansprechend, bravo! 2019-2026, 18.5 vvPunkte (93/100).

2017, Unter der Linde, Aargau AOC: Blasses Gelb, schöner Glanz. Intensive, sehr Sauvignon-betonte Nase, exotische Früchte, Spargel darüber auch leicht laktische Noten, komplex jedoch etwas vordergründiger als der 2016er. Im Gaumen schlank, fruchtbetont, leichter bis mittlerer Körper, dezent süsslich, dennoch frisch, wird am mittleren Gaumen cremiger und würziger, sehr gut integriertes Holz, die Säure wirkt lebhaft, stützt den Wein und zieht ihn bis in einen angenehm langen Abgang, endet auf weissen Pfirsich. Weniger komplex als 2016 aber noch immer auf sehr gutem Niveau. 2019-2025, 18 vvPunkte (90/100).

2003, Unter der Linde «Grand Cru» Villnachern AOC. Reifes Rubin, orangefarbene Ränder. Intensive, stark vom Holz geprägte Nase, viel Räucherspeck, ätherische Noten, reife, rote Frucht, auch Waldboden, Süssholz, komplex und sich mit Luft verändernd, spannend. Im Gaumen vollmundig, weich, zeigt Körper und Schmelz, gut strukturiert mit noch immer markanten Gerbstoffen die teils vom Holzfassausbau stammen, die Säure moderat, der Wein wirkt opulent, reif, mächtig, zeigt im Abgang Aromen von Rumtopf, eingekochten Früchten, dunklen Pflaumen, Gummireifen und etwas Süssholz, endet lang. Erstaulich fit fürs Alter, in Sachen Harmonie jedoch nicht optimal. Trinken bis 2025, 17.5 vvPunkte, (89/100).

Präsentierte sich noch in sehr guter Verfassung: 2003er Unter der Linde Pinot (c) vvWine.ch

2009, Unter der Linde «Grand Cru» Villnachern AOC. Reifes Rubin, Leicht orange Ränder. Intensive Nase, wirkt leicht stechend, alkoholisch, rosinige Noten, sehr reife, eingekochte Frucht, fast schon portige Aromen, definitiv offen, zeigt mit Luft auch Kräuterwürze und Noten von getrockneten Blüten, komplex. Der Gaumen ist weicht im Auftakt, breitet sich aus, zeigt eine sehr schöne Frucht, feinmaschiges Tannin, das Holz ist top integriert, eine gute Säure hält das reife Fruchtpaket frisch, wirkt deutlich saftiger und kühler als die Nase vermuten lässt, im Abgang von sehr schöner Länge, endet auf rote Kirschen und Blutorangen. Nobel gereift, gefällt mir im Gaumen deutlich besser als in der Nase, hat aber definitiv Komplexität. Trinken bis 2025, 18 vvPunkte (91/100).

2013, Unter der Linde «Grand Cru» Villnachern AOC. Leuchtendes Rubin. In der Nase dunkelfruchtig, tief, das Holz wahrnehmbar aber gut eingebunden, trotz vielen dunklen, reifen Kirschen und Noten von Rosinen auch frisch wirkend, zeigt mit Luft Kräuter, würzige Noten, Trockenblumen, sehr komplex. Am Gaumen weich, zugänglich, zeigt Schmelz und Volumen, das Barrique ist sehr gut eingebunden, mittelkräftiger Körper, sehr gute Struktur, am mittleren Gaumen immer straffer werdend, saftig und mit deutlich rotfruchtigen Aromen zieht sich der Wein in einen sehr langen Abgang hinaus, endet frisch und gleichzeitig bitter-süss. Ein Wein in einem sehr guten Trinkfenster, hat Reserven. Jetzt bis 2028+, 18.5 vvPunkte (93/100).

Die Pinots aus 2013 und 2015 gefielen mir am besten (c) vvWine.ch

2015, Unter der Linde «Grand Cru» Villnachern AOC. Mittleres Rubin, schöner Glanz. Intensive Nase, noch vom Holz geprägt, sehr komplex, zeigt dunkle und rote Beeren, schwarze Kirschen, Gräser, Kräuter, ein markantes aber nobles Toasting. Der Gaumen ist saftig, frisch, strukturiert, dicht aber nicht plump, das hat viel Kraft und Konzentration, doch eine wunderbare Säure hält dagegen, das Holz ist am Gaumen besser integriert als in der Nase, natürlich, noch jugendlich, jedoch mit sehr guten Anlagen und grossen Reserven, endet langanhaltend und feinwürzig. Ein Hit – natürlich noch ein Baby, doch das könnte in fünf bis 10 Jahren für manche Überraschung sorgen. Trinken bis 2032, 19 vvPunkte (94/100).

Das wären dann mal meine Meinung zu den verschiedenen Tropfen. Ganz im Sinne ihres Blog-Konzeptes haben die beiden Weinchecker nur einen Wein aus der verkosteten Serie herausgepickt. Die Meinungen von Jürg und Thorsten zum 2013er Pinot Noir «Unter der Linde» sind hier nachzulesen.

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Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Anschluss an die Mini-Vertikale mit den «Unter der Linde»-Weinen machte sich der Gastgeber den Spass, uns zwei Weine aus anderen Regionen blind zu servieren. […]

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