Weine über drei Generationen.
Im Gegensatz zu meinen lieben Eltern, welche in den legendären Weinjahren 1945 und 1947 geboren wurden, sind meine besser Hälfte und ich, sowie mein Bruder und ein guter Weinfreund Namens Philipp in den kleinen Jahrgängen 1972 und 1973 geboren. Der an diesem schönen Frühlingstag anwesende Nachwuchs dagegen ist mit 2013 (Thierry, 2013 geboren, war bei uns zu Besuch), 2010 (Linus, das Kind meines Bruders) und 2007 (unser Sohn, Simon Vineo) schon deutlich besser aufgestellt, wenn auch die Jungmannschaft von den Weinqualitäten ihres Jahrgangs noch nicht selber profiteren konnte.
Wir verkosteten die Weine unserer Jahrgänge in lockerer Runde und meine Notizen sind eher knapp gehalten, da ich zwischendurch noch Grill- und andere Aufgaben übernehmen musste. Dennoch möchte ich diese Eindrücke niemandem vorenthalten.
2013, Riesling Trocken Kalkofen, Von Winning, Pfalz: Kräftiges Geld, noch schöner Glanz. Frische Nase, sehr schöne Frucht, Apfel, Zitrusfrüchte, Pfirsich, dazu würzige Noten und ganz dezent Holz. Im Auftakt knackig und frisch, strukturiert, dicht aber nicht schwer, zeigt neben Zitrusfrucht auch exotische Früchte und wieder eine schöne Würzigkeit, komplex, kräftig und sehr langanhaltend. Jetzt bis 2024+, 18.5 vvPunkte (92/100).
2010, Chardonnay, La Maison Carrée, Auvernier, Neuchâtel: Kräftiges Goldgelb. Intensive, reife Nase, würzig und mit reifer Frucht, auch Kräuter, dazu eine feine Mineralik, sehr schöne Komplexität. Im Auftakt mit Schmelz und viel Cremigkeit, reif aber nicht müde, zeigt nach wie vor Struktur, Apfel und Zitrusfrüchte geben sich die Hand, eine gut integrierte Säure stützt. Endet sehr lang und mit viel Schmelz. Hervorragend gereift und noch mit Reserven. Bis 2023 geniessen, 18 vvPunkte (90/100).
2007, Dézaley Grand Cru Médinette, Domaine Louis Bovard, Cully, Waadt: Tiefe Nase, braucht etwas Zeit, öffnet sich dann, zeigt viel Mineralik, Apfel und Honig, auch getrocknete Gräser, sehr komplex. Im Gaumen kräftig, sehr gut strukturiert, ungemein knackig, frisch und mit saftiger Frucht, hat viel Druck und eine beeindruckende Länge im Abgang. Das kann noch reifen. Jetzt bis 2026+ 18.5 vvPunkte (92/100)
1973, Château Ausone, St-Emilion: gleich nach dem Öffnen sehr schöne Nase, Tabak, Zedern, Rauch, malzige Noten. Im Auftakt cremig und wieder mit viel Malz, abgeschmolzenes Tannin, die Säure stützt, aromatisch mit Erdbeergelee und Rauchspeck. Hält sich während mehreren Stunden erstaunlich schön im Glas, baut dann aber gegen Ende deutlich ab. Nobel gereift und am Ende seines Zeitfensters. Trinken. 18.5 vvPunkte (92/100).
1973, Château Cheval Blanc, St-Emilion: Anfangs leicht muffig, wird mit Luft immer schöner, zeigt Tiefe, Torf, Rauch, Waldboden und Gewürze. Straffer Auftakt, erstaunlich saftig und frisch anmutend, rotfruchtig, mit Kräuterwürze, Malz, zeigt noch immer etwas Tannin, dazu eine gut integrierte Säure. Endet auf Süssholz. Baute etwas rascher ab als Ausone, dürfte aber aufgrund seiner Tannin- und Säure-Strutkur sein Niveau noch länger halten. 18 vvPunkte (90/100).
1973, Ch. Mouton Rothschild, Pauillac: Rauchig-kräuterige Nase, viele Pilze, Waldboden, dahinter dezent rote, reife Früchte. Im Auftakt saftig, leichter Körper, abgeschmolzenes Tannin, die Säure verleiht noch etwas Struktur, aromatisch mit roten Früchten und Süssholz, das sich bis in den angenehm langen Abgang hinauszieht. Erstaunlich fit wenn auch nicht gross. Trinken. 17.5 vvPunkte (89/100).
1972, Chemin de Fer Dézaley Grand Cru AOC, Luc Massy: Dunkles Gelb, fast bräunliche Farbe. In der Nase total müde, oxidiert, Sherry, keine Freude mehr. Auch am Gaumen etwas besser, zeigt noch etwas Frucht, wirkt dennoch sehr gezehrt und ohne jegliche Struktur. Wie erwartet, kein Hit aber immerhin, mein Jahrgang. Keine Bewertung.
1947, Barolo Riserva, Borgogno, Piemont: Ziegelrote, helle Farbe, sehr wässeriger Rand. In der Nase Sherry, Malz und Maggikraut, wirkt gezehrt. Auch am Gaumen deutlich gezehrt, süssliche Frucht, noch immer etwas Tannin, dennoch wackelige Struktur, endet süsslich-malzig. Kein Highlight aber ein Erlebnis. 15.5 vvPunkte (78/100)
1947, Château Haut-Bommes, Sauternes. Dunkles Bernstein. In der Nase ein kleines Spektakel, Dörrfrüchte, Feigen, Nüsse, Rosinen, Caramel und Honig, trotz 70 Jahren auf dem Buckel in Topform. Im Gaumen mit Druck und Schmelz, sehr vollmundig, süss, opulent, ja fast mit öliger Textor doch dabei nicht klebrig sondern in sich stimmig. Der Abgang ist ausgesprochen langanhaltend, eine mehr als positive Überraschung. 19 vvPunkte (94/100)
1945, Château Cos d’Estournel, St-Estèphe: Erstaunlich kräftige Farbe. Intensive, männliche Nase, Sattel, Pferdeschweiss, Kräuter, Zedernholz, Honig, Dörrfrüchte. Straffer Auftakt, wirkt frisch und lebendig, hat noch immer etwas Tannin, sehr gut integrierte Säure, der Wein ist überraschend lebendig und fit, zeigt Charakter und Würze, endet angenehm lang auf rote Früchte und Tabak. Ein Erlebnis. Trinken. 18.5 vvPunkte (93/100).
Es war ein unterhaltsamer und auch emotionaler Nachmittag. Die 1973er-Weine präsentierten sich besser als erwartet und der 1945er Cos d’Estournel (vielen Dank an dieser Stelle an Philipp für diese noble Spende) sowie der 1947er Sauternes waren eindrücklich. Einzig der 1972er hielt, was der Jahrgang im Negativen versprach (= untrinkbar) und auch der Barolo enttäuschte leider. Aber wie man so schön sagt: ab einem gewissen Alter gibt es keine guten Jahrgänge mehr, nur noch gute Flaschen (und gute Menschen).
[metaslider id=“10140″]
Dein Kommentar
Want to join the discussion?Feel free to contribute!