Ein Pessac-Juwel mit viel Präzision: Ch. Seguin
Im Jahr 2009 habe ich zum ersten Mal einen Wein von Château Seguin verkostet. Es war damals der Jahrgang 2006, welcher mir mit seiner frischen, rotfruchtigen Art sehr gut gefallen hat. Seither habe ich die Seguin-Weine Jahr für Jahr probiert und spätestens seit dem Jahrgang 2009 gehören die Weine von Denis Darriet und seinem Team zu meinen ganz persönlichen Geheimtipps.
Denis Darriet, ursprünglich in der Luxusuhrenbranche tätig, hat Château Seguin im Jahr 1987 gekauft und 1993 seinen ersten Jahrgang produziert. Das äusserst bescheiden anmutende Anwesen liegt im Pessac-Léognan, der grössten und bedeutendsten Appellation der Region Graves, südlich von Bordeaux. Die Appellation und wurde erst im Jahr 1987 gegründet, doch die bekanntesten Weine wie Château Haut-Brion, La Mission Haut-Brion, Les Carmes Haut-Brion, Smith Haut Laffite, Domaine de Chevalier oder Haut-Bailly produzieren seit je her hervorragende Weine. Wenn ich die Weinqualitäten der letzten zehn Jahre Revue passieren lasse, dann würde ich an dieser Stelle sogar behaupten, dass sich die Region Pessac-Léognan zur vielleicht konstantesten Regionen von Bordeaux gemausert hat.
Die Region ist bekannt für kieselhaltige Böden, welche eine sehr gute Drainage ermöglichen, was gerade in regenreichen Jahren ein Vorteil ist. Die Kieselsteine reflektieren aber auch Sonnenlicht und speichern zudem die Wärme, was die Reifung der Trauben fördert. Die kargen, Kiesel-Untergründe, welche zudem mit Ton, Sand und Kalkstein durchzogen sind, bieten zusammen mit dem gemässigten Klima der Region ein ideales Terroir für den Anbau der Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot.
Während viele Güter in der Region sowohl weisse als auch rote Weine produzieren, fokussiert Château Seguin (wie übrigens auch Château Haut-Bailly) auf rote Gewächse.
Ich traf Denis Darriet und sein Team im April 2018. Der Frühjahresfrost hat die Rebanlagen von Château Seguin hart getroffen. 90% der Knospen sind erfroren, einen 2017er Seguin wird es darum leider nicht geben. Dennoch gab es an diesem Tag Wein zu probieren. Zusammen mit dem Kellermeister von Château Seguin, Xavier Moragues, verkostete ich vor Ort die Jahrgänge 2010, 2012, 2014 und 2016. Nachfolgend meine Eindrücke.
2010, Château Seguin, Pessac-Léognan (50% Cabernet Sauvignon, 50% Merlot, 15% Alkohol): Tiefes Bordeauxrot, leicht aufgehellter Rand. Offene, bereits etwas gereifte Nase, dunkle Früchte, Pflaumen, Tabak und Weihnachtsgewürze, sehr gute Komplexität. Weicher Auftakt, viel Würzigkeit, einiges an Fleisch am Knochen, dazu schöner Schmelz, vollmundiger Körper und merklich Alkohol, dieser steht aber in Balance zur satten, dunklen Frucht, eingelegte Pflaumen, Anflüge von Rosinen, warm anmutend und wieder mit deutlich Weihnachtsgwürzen. Im Abgang langnhaltend. Ein sehr mächtiger Seguin mit Reserven, idealerweise bei 16 Grad servieren. 2018-2030+, 18.5 vvPunkte, (92/100)
2012, Château Seguin, Pessac-Léognan (50% Cabernet Sauvignon, 50% Merlot, 13.5% Alkohol): Dichtes Bordeaxrot, aufgehellter Rand. Offene Nase mit hoher Intensität, ausladend mit Noten von Dörfpflaumen, schwarzen Kirschen, Tabak und vielen Würznoten die an Zimt und Lakritze erinnern. Beginnt weich, streichelt die Zunge, geschmeidig, mit rotfruchtiger Aromatik, mittlerer bis kräftiger Körper, bereits gut abgeschmolzene Tannine, sehr schöne Säure, aromatisch nicht ganz so komplex wie der 2010er doch mit mehr Frische ausgestattet. Würziger, dezent krautiger Abgang. Ein ausgewogener Seguin, der sich jetzt in einem schönen Trinkfenster befindet. 2018-2027, 18 vvPunkte, (90/100)
2014, Château Seguin, Pessac-Léognan (60% Cabernet Sauvignon, 40% Merlot, 14% Alkohol): Dichtes Bordeauxrot, leicht aufgehellter Rand. Expressive Nase, Brombeeren, Heidelbeeren, Kirschen, Rauch und viel Würze, das ist komplex zeigt Spannung und eine sehr schöne Tiefe. Straffer Auftakt, mittelkräftiger Körper, feinmaschiges Tannin, saftige Säure, sehr gut strukturiert, mit Schmelz und einer faszinierenden Aromatik, viele Sauerkirschen, dazu auch pfeffrige Noten. Endet mittellang auf dunkle Beeren, sehr ausgewogen und stimmig, klar proportioniert. Aktuell noch einen Tick zu jung, dürfte in ein bis zwei Jahren für sicherlich zehn Jahre Spass machen. 2020-2030+, 18 vvPunkte, (91/100)
2016, Château Seguin, Pessac-Léognan (55% Cabernet Sauvignon, 45% Merlot, 14.5% Alkohol): Dunkles Bordeauxrot, Violettreflexe. Expressive Nase, wunderbar nobel, ein Mix aus roten und dunklen Kirschen, Brombeeren und Cassis, dazu Rauch und viel Kräuterwürze, das ist komplex zeigt Spannung und eine sehr schöne Tiefe, ein wahrer Schnüffelwein steht hier im Glas. Weicher Auftakt, vollmundig und mit satter Frucht, mächtig, dicht, konzentriert und strukturiert, dabei aber hochelegant und mit superfeinem Tannin sowie einer frischen Säure ausgestattet, die 14.5% Alkohl sind perfekt eingebunden, alles ist an seinem Platz, keinerlei Schwere, viel Präzision. Ausgezeichneter Abgang, hallt sicherlich 45 Sekundne nach. Eine Symbiose aus Kraft und Eleganz. Mit Luft nach Oben. 2025-2040+, 19+ vvPunkte, (94/100)
Der zusammen mit Denis Darriet beim Abendessen genossene 2008er Château Seguin präsentierte sich ebenfalls von seiner besten Seite. Ich habe mir keine detaillierten Notizen dazu gemacht, doch der 2008er Seguin ist aktuell am Anfang seiner besten Trinkreife. Er zeigt nach wie vor eine schöne, satte Frucht, die untermalt ist von ersten Tertiäraromen. Der Wein ist sehr gut strukturiert und dürfte dieses wunderbare Trinkfenster sicherlich nochmals zehn Jahre halten.
Mein Fazit: Château Seguin ist ein wahres Juwel im Pessac-Léognan. Gerade der jüngste Jahrgang 2016, der in den nächsten Monaten auf die Flasche kommt, ist hervorragend gelungen, doch auch viele der älteren Jahrgänge sind nach wie vor einen Kauf wert. Denn, im Gegensatz zu den Luxusuhren, sind die Preise von Seguin überschaubar geblieben.
Die Weine von Château Seguin kosten um 25 bis 35 Euro resp. 30 bis 40 CHF und man findet diese in Deutschland resp. in der Schweiz bei diversen Händlern.
Danke für den ausführlichen Bericht über Seguin. Ich bin begeisterter Weintrinker und habe auch einige Jahrgänge Seguin verkosten dürfen. Sie haben vollkommen recht dass es sich hierbei um einen sehr gut gemachten Wein handelt. Er ist geschliffen hat alles was ein toller Wein braucht, aber mir fehlt einfach alles um diesen Wein als einen Bordeaux zu erkennen. Mir kommen „Neue Welt“, Australien, USA, Südafrika …… in den Sinn aber sicher nicht Bordeaux. Komplett austauschbar und überall zuhause. Wollte meine Meinung zu den Wein den anderen Lesern nur mitgeteilt haben. lg Josef
Danke Josef für den wertvollen Input. Was „neue Welt angeht“ würde ich die Aussage beim 2010er durchaus unterschreiben, nicht aber beim 2008er, 12er, 14er und v.a. 16er, hier sind wir meines Erachtens schon deutlich in Bordeaux unterwegs. Herzliche Grüsse, Adrian
Ich durfte bereits mehrmals den Seguin 2019 als Fassmuster verkosten, dies anfangs März und wiederum Mitte Juni im Beisein des Mr. Denis Darriet. Am selben Tag verkostete ich neben diesem Seguin 2019 noch weitere 57 Bordeaux von 2017, hier einen Vergleich anzustellen wäre Blödsinn. Doch ich meine hier mit dem Seguin meine perfekte Alternative zu den anderen tollen, doch überteuerten Pessac Weinen gefunden zu haben. Ich werde auf jedem Fall Seguin kaufen, denn nicht nur der Wein, sondern auch der Weinmacher sind mir mehr als sympatisch.
Und irgendwie gefällt mir die fast immer vorhandenen 50/50% Cabernet Sauvignon zu Merlot Assemblagen, sie ergeben sehr harmonische, weiche Weine der Sonderklasse.