Aargauer Pinot Noir und ein paar Exoten
In einer Runde von elf weininteressierten Menschen verkostete das vvWine-Team 19 Weine. Thema des Abends, zu welchem unser Weinfreund Ruedi und seine Frau Silvia luden, war Pinot Noir aus dem Aargau. Doch erwartungsgemäss konnte es Ruedi nicht lassen, den einen oder anderen Piraten aus anderen Regionen resp. aus einer anderen Sorte in die Serien zu schmuggeln.
Die Essenz eines jeden Weinabends – die gute Gesellschaft © vvWine.ch |
Die Weine wurden in idealer Ausschank-Temperatur von ca. 15 Grad in identischen Zalto-Gläsern blind serviert. Verkostet wurde in sechs Dreierserien, wobei nach jeder Dreierserie die Herkunft resp. die Produzenten aufgedeckt wurden. Nachfolgend unsere Eindrücke in der Reihenfolge der Verkostung geordnet.
Serie 1: Basis-Pinots, zwei davon aus einem hitzigen 2015.
2015, Schinznacher Pinot Noir, Weinbaugenossenschaft Schinznach (AG): Leuchtendes Rubin, jugendlicher Glanz. Expressive, sehr fruchtbetonte Nase, etwas Gummibärchen, klare, reine Pinot-Frucht, ein paar Kräuter, durchschnittliche Komplexität. Fruchtiger Gaumenauftakt, mittlerer Körper, satte Frucht, Kirschen, Himbeeren, Zimt, strukturiert, kein Holz wahrnehmbar, im Abgang saftig, kurz und etwas hitzig. Ein „Beerli-Pinot“ aus einem warmen Jahr. Jetzt bis 2022, 16.5 vvPunkte, (84/100)
2013, Kloster Sion, Weingut zum Sternen, Andras Meier, Würenlingen (AG): Helles Rubin, aufgehellter Rand. Zurückhaltende Nase, braucht etwas Zeit, sehr schöne Pinot-Frucht, Walderdbeeren, Himbeeren, würzige Noten, Blutorangenzesten, gute bis sehr gute Komplexität. Weicher Auftakt, dann einiges an Schmelz zeigend, dazu eine knackige, rote Frucht, Johannisbeeren, Kirschen, auch Zitrusaromen, mittlerer Körper, gut eingebundene Tannine, knackige Säure, strukturiert ohne Schwere. Im Abgang angenehm lang. Ein sehr schöner Basis-Pinot in seiner idealen Reife. Jetzt bis 2023, 17.5 vvPunkte, (88/100)
2015, Riex Pinot Noir, Denis Fauquex, Riex (VD): Leuchtendes Rubin, schöner Glanz. Anfangs etwas dropsige Nase, Himbeeren, Johannisbeeren, auch frische Erdbeeren, würzige Komponenten, gute bis sehr gute Komplexität. Fruchtbetonter Auftakt, straff, knackige Frucht, wieder rote Johannisbeeren, Himbeeren, gut strukturiert, mittlerer Körper, einiges an Gerbstoff, tolle Säure, gute Länge, auch hier etwas hitzig. Insgesamt aber ein sehr schöner Pinot der reifen kann. Jetzt bis 2024, 17.5 vvPunkte, (87/100)
Das Line-Up des Abends © vvWine.ch |
Serie 2: Zwei elegante Highlights und ein Rätselraten.
2012, Pinot Noir Alte Reben, Weingut Cicero, Zizers (GR): Helles Granat, blass-weisser Rand. In der Nase viel Cassis, Sauerkirschen, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Blutorangen, sehr duftig, wow, ein Hit, würzig, florale Anflüge, Sanddorn, sehr gute Komplexität. Weicher Gaumen, dann viel Schmelz, füllig aber nicht schwer, sehr feine Pinot-Frucht, gute Struktur, mit markanter aber eingebundener Säure, im Abgang lang und ausgewogen. Ein wunderbarer Pinot, im optimalen Trinkfenster aber mit Reserven für mindestens 5 Jahre. Jetzt bis 2022, 18 vvPunkte, (90/100) – dieser Wein ist bei Love-is-the-answer erhältlich.
2014, Pinot Noir Elfingen Rüeget, Tom Litwan, Schinznach (AG): Helles Rubin, aufgehellter Rand. etwas muffige Nase, wirkt reduziert, braucht Zeit, gute Tiefe, Rauch und Speck, rote Johannisbeeren, Erdbeeren, rote Kirschen, leicht krautig, sehr gute Komplexität. Straffer Auftakt, sehr schöne Frucht, saftig, knackig und klar, fast burgundisch, hervorragende Säure, langer Abgang, endet auf Blutorangenzesten. hat sehr viele Reserven, ein top Pinot. Jetzt bis 2026, 18 vvPunkte, (90/100)
2015, Rossese di Dolceaqua Beragna, Ka Mancine, Soldano, Ligurien (IT): Tiefes Rubin, jugendlicher Glanz. Intensive Nase, sehr fruchtbetont, Himbeeren, Granatapfel, etwas Lavastein, expressiv aber mässig komplex. Weicher, reifer Auftakt, sehr schöne Frucht, deutlich Alkohol, wirkt etwas ungestüm, eher eindimensional, im Abgang kurz aber stimmig. Ein schöner, fruchtbetonter Pizza-Wein. Jetzt bis 2023, 16.5 vvPunkte, (84/100)
Serie 3: Ein Zwischentief mit einem Aargauer Lichtblick.
2013, Kloster Sion Réserve, Weingut zum Sternen, Andreas Meier, Würenlingen (AG): Mittleres Rubin, sehr hell. Die Nase zeigt sich floral, würzig, rotfruchtig, sehr feinduftig, allerdings auch deutlich Holz, sehr gute Komplexität. Fruchtbetonter Gaumenauftakt, saftig, klar, viele rote Beeren, würzig, strukturiert, sehr gut integrierte Säure, feine Gerbstoffe, insgesamt saftig, elegant und mit guter Länge im Abgang. Ein sehr ausgewogener Pinot Noir, dem ein Hauch weniger Holz noch besser stehen würde. Jetzt bis 2025, 18 vvPunkte, (90/100)
2012, Blauer Spätburgunder Schulen, Ziereisen, Efringen-Kirchen, Südbaden (D): leider Kork. Wir versuchen eine Ersatzflasche aufzutreiben und werden die Bewertung später dazufügen. Für diese Flasche keine Bewertung.
2013, Pinot Noir „Selection Schwander“, J.R. Germanier (VS): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Erst etwas warme, leicht branding anmutende Nase, die Walliser Hitze drückt durch, da sind Anflüge von Rumtopf, mit mehr und mehr Luft auch krautige Aromen zeigend. Weicher Auftakt, dann rasch sehr harsch, die Frucht wird von der Säure und den Gerbstoffen dominiert, der Wein hat einiges an Struktur, doch fehlt es an Körper, insgesamt etwas karg, im Abgang allerdings von guter Länge. Aktuell sehr unharmonisch und mit der Gefahr, austrocknen. Abwarten und hoffen, dass sich das noch findet. 2018-2024, 17+ vvPunkte, (85+/100)
Serie 4 des Abends © vvWine.ch |
Serie 4: Litwan überzeugt ein zweites Mal.
2015, Pinot Noir, Hauksson, Hünenberg (ZG): Sehr helles Rubin, blasser Rand. Sehr feinduftige Nase, floral, verspielt, Veilchen, Teearomen, dann auch Rauch, Sauerkirschen, mit Luft zudem medizinale Anflüge, sehr schön, komplex und spannend. Saftiger, klarer Auftakt, deutlich rote Johannisbeere, Sauerkirschen, Orangenzesten, markante Säure und feine Gerbstoffe, sehr gute Struktur. Im Abgang lang und frisch. Ein schöner, ausgewogener Pinot am Anfang der Trinkreife und mit guten Reserven. Jetzt bis 2025, 17.5 vvPunkte, (89/100)
2012, Pinot Noir Oberflachs Auf der Mauer, Tom Litwan, Schinznach (AG): Sehr helles Rubin, aufgehellter Rand. Tiefe Nase, anfangs reduktiv, doch mit Luft, ein Gedicht, viele rote Beeren, Curry, exotische Würze, sehr viel Spannung hier, duftig und komplex, sich ständig verändernd. Saftig und klar im Auftakt, enorm knackige Frucht, rote Beeren dominieren, frisch, struktuiert, mit deutlich Säure, sehr feinen Gerbstoffen und keinerlei Alkoholüberhang, das ist komplex, ausgewogen, dicht aber überhaupt nicht schwer, ein burgundischer Tänzer. Im Abgang lang und sehr stimmig, endet auf Blutorangen. Ein Hit. Jetzt bis 2025, 18.5 vvPunkte, (92/100)
2014, Pinot Noir Unter der Linde, Weingut zur Linde, Michel Jaussi, Linn (AG): Dichtes Rubin, leuchtend, jugendlich. In der Nase, Barrique, Barrique, Barrique, schade, hier ist zu viel Holz im Spiel, die Frucht wird verdrängt, zwar zeigt die Nase einiges an Komplexität und Tiefe, etwas Lebkuchen, Kirschen, ist spannend, verändert sich, doch das Holz überwiegt. Am Gaumen mit straffem Auftakt, sehr gute Struktur, deutlich Gerbstoff, sehr frische Säure, ungemein saftige Frucht, hier wären viele Elemente da für einen noch besseren Wein, wenn nur das Barrique sensibler eingesetzt wäre. Schade für die eigentlich sehr guten Anlagen des Traubengutes. Im Abgang von guter Länge. 2018 bis 2025, 17.5+ vvPunkte, (89+/100) – falls sich dieses Holz einbindet mit Luft nach Oben.
Serie 5: die Serie des Abends.
2013, Pinot Noir Unique, Domaine Donatsch, Malans (GR): Strahlendes Rubin, schöner Glanz. Sehr duftige Nase, tief, rauchig, mineralisch, rote Johannisbeeren, Würze, dezent Röstaromen, ungemein komplex und mit viel Spannung. Am Gaumen saftig und klar, rotfruchtige Aromen dominieren, da ist eine knackig Säure, da sind markante aber sehr feine Gerbstoffe, alles ist dicht aber nicht schwer, top strukturiert. Im Abgang langanhaltend und ausgewogen. Ein sehr schöner Wein mit grossen Reserven. 2017-2027, 18.5 vvPunkte, (92/100)
2011, Pinot Noir Trarbacher Schlossberg, Markus Molitor, Mosel (D): Helles Granat, weisslicher Rand, fast orange. Etwas alt und müde wirkende Nase, anfangs leicht muffig, zeigt Waldboden, Pilze, verändert sich dann, offenbart viele würzige Elemente, Lebkuchenaromen, einiges an Opulenz bei guter bis sehr guter Komplexität. Am Gaumen saftig und erstaunlich frisch, deutlich Blutorangen, wieder viel Würze, deutlich säurebetont, die Gerbstoffe sind weitgehend abgeschmolzen, im Abgang wirkt der Wein etwas hitzig und nicht top ausgwogen, insgesamt aber für meinen Geschmack nicht unsexy. 2017-2021, 17.5 vvPunkte, (89/100)
2005, Vosne-Romanée „Bossières“, Domaine Jean Grivot, Burgund (F): Kräftiges Granat, dicht mit leicht aufgehellten Rändern. Sehr vielschichtige Nase, Rauch, Speck, florale Aromen, Veilchen, Rosen, Muskat, wunderbar duftig, sich ständig verändernd, sehr gute Komplexität, Am Gaumen klar und frisch, mit guter Struktur, saftige Frucht, reife, weitgehend abgeschmolzene Gerbstoffe, knackige Säure, verspielt aber nicht ganz so komplex, wie die Nase verspricht, dennoch mit viel Spannung. Im Abgang von guter Länge. Ein reifer Pinot aus einem grossen Jahr, wurde klar als Burgunder enttarnt. Spannend und mit viel Trinkfluss, alledings nicht gross. 2017-2023, 18 vvPunkte, (91/100)
Die Serie des Abends, wieso es der Vosne-Romanée nicht ganz aufs Bild geschafft hat, wissen die Geister @ vvWine.ch |
Serie 6: ein Bündner Abschluss.
2009, Jeninser Blauburgunder Alte Reben, von Tscharnergut, Schloss Reichenau (GR): Leuchtendes Rubin, schöner Glanz. In der Nase deutlich Cassis, auch würzige Noten, das ganze noch immer etwas vom Holz dominiert, trotzdem sortentypisch, wenn auch nicht extrem tiefgründig. Am Gaumen saftig, mit schöner, Johannisbeer-Frucht, dazu rote Kirschen, wirkt sehr extrahiert, dicht, strukturiert, aromatisch etwas eingeschränkt. Im Abgang eher kurz, insgesamt aber stimmig, Ein gut zu trinkender Herrschäftler. 2017-2024, 17 vvPunkte, (85/100)
2009, Fläscher Pinot Noir, Weingut Bovel, Fläsch, (GR): Helles Rubingranat, weisser Rand. feinduftig, rauchig, kühl, mit Torf, Lakritze, und schöner, dezenter Pinot-Frucht, kein Hedonistenwein, wirkt etwas reformiert und karg, zeigt aber eine schöne Mineralik. Am Gaumen saftig und schlank im Auftakt, viele rote Johannisbeeren, etwas Orangenzesten, strukturiert, frisch und klar, markante Säure, einiges an Gerbstoff. Im Abgang von guter Länge, ausgewogen und trinkanimierend. 2017-2023, 17.5 vvPunkte, (88/100)
2010, Pinot Noir Passion, Domaine Donatsch, Malans (GR): Helles Rubingranat, schöner Glanz. Sehr duftige Nase, würzig, frisch, rote Früchte, Johannisbeeren, Blutorangen, sehr gute Komplexität. Der Gaumen ist ebenfalls frisch, knackig und saftig, mit wunderbarer Pinot-Frucht, wieder rote Johannisbeeren, Zitrusfrüchte, sehr gut strukturiert, mit feinen Gerbstoffen, einer knackigen Säure, dicht aber nicht schwer. Im Abgang mit sehr guter Länge. Stimmig von A-Z. 2017-2023, 18 vvPunkte, (90/100)
Dieser Anblick lässt das Herz eines jeden Pinot Liebhabers höher schlagen © vvWine.ch |
Und dann noch eine Kellerleiche.
Als kleine Zugabe grub Ruedi eine Kellerleiche aus. Dieser bald 30jährige Pinot aus dem Aargau präsentierte sich erwartungsgemäss nicht mehr auf seinem Zenit. Dennoch war es spannend zu erleben, wie ein einfacher Aargauer Pinot Noir reift.
1991, Rütiberger Klevner (AG): Reifes Granatrot, sehr heller Rand. In der Nase moderig, staubig, alt, etwas kühler Rauch, Rosinen, Leder mässige Komplexität. Weicher Auftakt, auch hier sehr reif, abgeschliffene Tannine, die Frucht sehr im Hintergrund, nicht komplex aber durchaus trinkbar. In Anbetracht seines Alters in erstaunlich gutem Zustand. Im Abgang kurz. Vorbei. 14 vvPunkte, (71/100)
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[…] 2015er Pinot Noir gefiel mir stilistisch bereits damals schon sehr gut, die Notizen dazu, kann man hier […]
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