4 Flaschen, 394 Parker Punkte und die Frage des perfekten Weins
Dem Volksglauben zufolge soll der Freitag, der 13. ein Unglückstag sein, welcher seinesgleichen sucht. Diverse Auswertungen haben jedoch ergeben, dass an diesem Tag, welcher bis zu dreimal pro Jahr auftreten kann, keine Häufung von Unfällen festzustellen sei (Wikipedia).
Bis ich diesen Freitag im Januar 2017 daheim ausklingen lassen wollte, habe ich keinen abergläubischen Gedanken verschwendet, diesem Tag eine besondere Bedeutung zuzuspielen. Doch dann klingelte mein Handy. Am anderen Ende war ein Weinfreund, hörbar amüsiert. Er sässe hier an einem Tisch mit sieben Leuten und einem leeren Stuhl. Dazu habe er drei Flaschen 2009er Bordeaux aufgezogen und gedacht, dass ich bestimmt gerne je ein Gläschen davon geniessen würde. Welch edler Gedanke!
Ich zögerte trotzdem, denn schliesslich erwartete ich ja Besuch. So fragte ich beiläufig, welche drei Flaschen denn seinem Korkenzieher zum Opfer gefallen waren. Die Antwort verschlug mir kurz die Sprache: L’Évangile, Léoville-Poyferré und Montrose, allesamt aus 2009 und jeweils mit 100/100 Punkten von Robert Parker bewertet. Mein Entscheid, die Einladung anzunehmen, fiel mir nicht schwer.
3-Mal 100 Punkte und einmal 94 Punkte von Robert Parker für dieses Line-Up © vvWine.ch |
Ich möchte hier nun aber keinesfalls einen Monolog zu Parkers Bewertungen starten, welche als Anhaltspunkt durchaus hilfreich sein können, sondern dem geneigten Leser mein eigenes Urteil zu diesen potentiell grossartigen Weinen wiedergeben. An diesem Abend stand allerdings klar der Genuss im Vordergrund und ich verzichtete auf eine konzentrierte Verkostung, widmete mich stattdessen den sozialen Aktivitäten.
Das Essen war herrlich, die Gesellschaft äusserst angenehm und die Weine eine Klasse für sich. Im Verlaufe des Abends gesellte sich ausserdem eine Magnum 1999 Château Margaux zu uns, was der Stimmung zusätzlichen Auftrieb verschaffte. Der Gastgeber zeigte sich sehr generös und gewährte mir von jeder Flasche einen grosszügigen Verkostungsschluck mit nach Hause zu nehmen. Daheim angekommen, sofort abgepumpt und kühl gestellt. Da die Weine – abgesehen vom 99er Margaux – noch sehr jung sind, habe ich mir erlaubt, die Verkostung erst am Sonntag, also zwei Tage später, in Angriff zu nehmen. Die Bewertungen sind wie immer Momentaufnahmen.
Ch. L’Evangile 2009 © vvWine.ch |
2009, Château l’Évangile, Pomerol, Bordeaux Tiefes Rubinrot im Glas. Eine noch jugendliche Nase von mittlerer Intensität. Die 15% Alkohol sind da, aber keine verkochten Fruchtaromen wahrnehmbar. Aromen von Brombeere, Gewürznelken, dunkler Kirsche, Schokolade und etwas Caramel. Eine krautige Note, welche wohl von den 5% Cabernet Franc herrührt, macht sich bemerkbar, wie auch ein sehr dezentes und schmeichelndes Toasting. Eine wunderbar klare und vielschichtige Aromenstruktur, sehr konzentriert und zugänglich, aber nicht fett. Im Gaumen spürt man dann die 95% Merlot, ein voller Körper, wiederum sehr elegant, tief, konzentriert und frisch. Mittlere Säure, feine, samtige Gerbstoffe, der hohe Alkoholgehalt wiederum dezent spürbar, aber nicht störend. Wieder Aromen von Schokolade, dunkler Kirsche, Brombeere, etwas grüne Paprika und schwarze Pflaume. Langer, saftiger Abgang auf Brombeere, feiner Tabak und Schokolade. Endet fruchtbetont, sadftig und lang im Abgang. Der warme Jahrgang ist spürbar, da ist Kraft und Power drin, aber alle Komponenten sehr harmonisch und präzise vereint. Diese Gratwanderung gelingt dem Évangile hervorragend. Zu 100% in neuer Eiche ausgebaut, ist es erstaunlich, dass die Holzaromatik heute schon so schön integriert ist und so gar nicht aufdringlich wirkt. Bereits heute sehr zugänglich, aber mit Reserven für eine lange Zukunft. 19.5 vvPunkte (97/100).
Ch. Léoville Poyferré 2009 © vvWine.ch |
2009, Château Léoville-Poyferré, Saint Julien, Bordeaux Tiefes, dunkles Rubinrot. Eine kühle Frische in der Nase, jugendlich, intensiv. Reife und üppige Fruchtaromen von Blaubeeren, Cassis, floralem Parfum, aber auch etwas Johannisbeere. Etwas Graphit, Eukalyptus und noch ziemlich deutliches, aber nicht störendes Vanille vom Holzausbau. Hohe Intensität, elegant und deutlich kraftvoll und vielschichtig. Aber überhaupt nicht überladen. Voller Körper am Gaumen, konzentrierte Aromen von schwarzer Kirsche, Brombeere, etwas Bergamotte, Waldfrucht, Earl Grey und wieder florales Parfum, Johannisbeere. Eine schöne Fruchtsüsse ist da. Hier ist die Wärme von 2009 erkennbar. Dennoch besitzt der Poyferré eine relativ hohe Säure. Gerbstoffe sind ebenfalls deutlich spürbar, diese wirken aber geschliffen und fein. Saftig und fruchtig im langen Abgang, endet auf Johannis- und Brombeeren. Der Poyferré wirkt etwas geschliffen, ist aber von unglaublich hoher Dichte und Qualität, gemacht für ein langes Leben. Wer eine Flasche davon besitzt, sollte wohl noch etwas warten. Wer zwei oder mehr solcher Flaschen sein Eigen nennen kann: er ist bereits jetzt wunderschön zu trinken. Jung, aber wunderschön. 19.5 vvPunkte (98/100).
Ch. Montrose 2009 © vvWine.ch |
2009, Château Montrose, Saint-Éstephe, Bordeaux Sehr dichtes, dunkles Rubinrot im Glas, eine unglaubliche Tiefe. Eine hohe Intensität von schwarzen Früchten im Glas. Die Nase zeigt sich etwas scheu, aber mit viel Luft (und das nach 3h dekantieren und 2 Tagen des abgepumpten Daseins im Klimaschrank!) kommen intensive Aromen schwarzer Kirschen, Cassis, Brombeeren, Zedernholz und Tabak hervor. Pure Kraft strömt hier nobel und mit einer hochkonzentrierten und komplexen Aromatik aus dem Glas. Sehr spannend.
Im Gaumen feine Gerbstoffe deutlich spürbar, voller Körper. Aromen von Brombeere, Cassis, Graphit, Tabak, feuchtes Gras. Etwas dunkle Schokolade, aber auch eine florale, leicht krautige Note. Hier scheint ein dezent burgundischer Charakter durch. Wieder eine wahnsinnige Kraft, eine merkliche Säure lässt die 14% Alkohol saftig im Mund zergehen. Im Abgang sehr lang mit angenehmen Aromenspiel. Dieser Montrose hat alles. Eine schöne Frische, wahnsinnig konzentrierte und klare Frucht, Schmelz, Tiefe, Eleganz und Mineralität. Heute beeindruckend, aber deutlich zu jung, den kann man mindestens für die nächsten 10 Jahre liegen lassen. Aber was da noch kommen wird, zeichnet sich bereits heute ziemlich deutlich ab. Das ist ein Wein für die Ewigkeit, etwas ganz Grosses. 20 vvPunkte (99/100).
Ch. Margaux 1999 aus der Magnum © vvWine.ch |
1999, Château Margaux, Margaux, Bordeaux (Magnumflasche) Ein sattes, dunkles Rubinrot im Glas. Mittlere bis hohe Intensität in der Nase, erste Reifenoten von feuchtem Laub, etwas frischen Pilzen. Dazu Waldbeeren, rote und schwarze Kirschen, frische, dunkle Pflaumen, ein dunkles, florales Parfum. Schwarztee, etwas Tabak und verführerisch rauchig, speckig. Eine unglaubliche Eleganz strömt aus dem Glas, die Nase wird regelrecht gestreichelt. Tiefe, komplexe und vielschichtige Aromenstruktur. So gar nicht aufdringlich, sehr elegant, komplex und nobel präsentiert sich dieser Premier. Im Gaumen offenbaren sich feine Gerbstoffe, perfekt eingebunden. Eine reife Säure, welche dem Ganzen eine schöne Struktur verleiht. Nach den drei Alkoholbomben zuvor ist dieser Margaux mit 12.5% beinahe ein Leichtgewicht. Mittlerer Körper, welcher sich dennoch druckvoll im Gaumen entfaltet. Rote und dunkle Früchte wechseln sich ab, wieder dieses schmeichelnde Parfum. Dezente Röstaromen mit etwas Vanille im Hintergrund. Die Frucht sehr klar und frisch. Dazu eine wunderschöne, feine Tertiäraromatik mit feuchter Erde, Mokka, frischem Leder. Sehr komplex, sehr ausgewogen, herrlich elegant. Da ist alles in perfekter Harmonie zusammengekommen. Im Abgang lang und fruchtig tänzelnd mit hoher Intensität. Das ist kein lauter Wein, muss auch gar nicht sein. Wenn alles in der richtigen Menge am richtigen Ort ist, wie hier der Fall, dann wurde alles richtig gemacht. Aussergewöhnlich gut gelungen für ein mittelmässiges Jahr im Bordeaux und heute so richtig schön zum Trinken, mit Reserven für mindestens nochmals 10 Jahre. 19+ vvPunkte (96+/100)
Kann man diese Weine unvoreingenommen trinken? © vvWine.ch |
Mein Fazit: Die drei Weine aus dem gefeierten 2009er Jahrgang erfüllten die hohen Erwartungen. Nicht bei allen war die klassische Bordeaux-Stilistik dominierend, doch qualitativ kann man hier wirklich nur von einem ausgezeichnet hohem Niveau sprechen. Zudem hat Ch. Margaux einmal mehr gezeigt, dass auch vermeintlich „kleine“ Jahrgänge fantastische Weine hervorbringen können. An diesem Abend war der 1999er Ch. Margaux bei allen Beteiligten der Wein, der mit hohem „Soulfaktor“ viel Trinkfreude bereitete, was angesichts seines idealen Reifestadiums nicht erstaunt. Zweifelsohne dürften sich aber auch die 2009er herrlich entwickeln und in leider noch etwas gar ferner Zukunft viel Spass bereiten. Belohnt werden hier ganz sicher die Geduldigen.
An dieser Stelle nochmals ein grosses Dankeschön dem edlen Spender für diese nicht ganz alltägliche und schon gar nicht selbstverständliche Einladung.
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