ADEGA VIÚVA GOMES oder eine Bildungslücke geschlossen.
Ich reiste mit Vorurteilen nach Portugal und erwartete kraftvolle, tiefdunkle, fruchtbetonte und aufgrund des heissen Klimas wenig elegante Weine. Ich wurde eines Besseren belehrt.
Angefangen hat alles im Restaurant Belcanto, zu welchem ich meine äusserst positiven Eindrücke bereits hier notiert habe. Wir stellten an diesem Abend den Kellner und Sommelier vor die Aufgabe, uns einen eleganten Wein zu servieren, der stilistisch nicht an fruchtmonströse New-World Weine sondern an einen eleganten Pinot aus dem Burgund erinnert. João Alves de Sá – so der wohlklingende Name des Kellners – meisterte diese Aufgabe hervorragend.
Nach dem wir einen hellen, klaren, strahlenden Rotwein (eigentlich ein Blend aus Weiss- und Rotwein) im Glas hatten, der uns an einen würzigen Gamay aus dem Beaujolais erinnerte, schenkte uns João einen 1969er Collares Viúva Gomes Tinto Reserva ein. Was erwartet man von einem fast 46 Jahre alten Wein aus Portugal? Ein müdes, braunes oder bestenfalls ein rotes, sprödes Getränk? Nein! Dieser Collares floss mit schöner, noch recht dunkler Farbe ins Glas und hat uns mit seiner aromatischen Komplexität vor allem in der Nase aber auch am Gaumen verblüfft. Die Notizen zu diesem wunderbaren 1969er Collares findet man hier.
Nach diesem Schlüsselerlebnis fragten wir João, ob er uns einen Besuchstermin bei José Baeta vom Weingut Adega Viuva Gomes organisieren würde und zogen schon kurz darauf in Richtung Sintra.
Sintra ist für Burg und Schloss und den Nationalpark bekannt. Sintra ist von in- und ausländischen Touristen übersät. Und Sintra verfügt über ein aussergewöhnliches Mikroklima. Die Hügel des Nationalparks stoppen quasi die Wolken, welche aus dem Norden kommen und hindern diese am Weiterziehen in den Süden.
Zwischen diesen Hügeln und dem westlichsten Punkt von Kontinental-Europa namens Cabo da Roca liegt die DOP Colares. Es ist keine bekannte Weinregion. Lediglich drei Weinproduzenten produzieren hier eine Spezialität, die seinesgleichen sucht.
Ramisco heisst die autochthone rote Rebsorte, welche hier auf Sandböden gedeiht und teils von über 200 Jahre alten Rebstöcken stammt. Die Rebstöcke von Colares haben die Reblaus-Ausbreitung von 1865 bis 1885 überlebt und so liefert die DOP Colares neben ganz wenigen anderen Weinregionen in Europa noch Weine, die aus wurzelechten Reben entstehen.
Man sagt: gute Weine brauchen Kalk- oder Lehmböden… in Colares wachsen sie auf Sand. Gute Weine brauchen ein trockenes, mildes Klima… in Colares regnet es öfter als in anderen Regionen Portugals. Und: gute Weine machen auch in ihrer Jugend Spass. Die Weine aus Colares brauchen aber eine gewisse Zeit, bis sich die kräftige Säure und die markanten Gerbstoffe mit der zarten, rotbeerigen Frucht vereint haben. Schlechte Vorzeichen also? Nochmals Nein!
Hier wachsen eigenständige Weine, die jeden Weinliebhaber auf ihre Art berühren dürften. Der jüngste Jahrgang des Collares ist der 2006er. Wir verkosteten den Wein und waren auch vom jüngsten Kind des Gutes positiv überrascht.
Mittleres Rubin, leichte Reifetöne. Animalische Nase, Leder, dunkle Beeren, auch feuchte Erde, dezent Grüntöne die von den zu einem Drittel nicht entrappten Trauben stammen. Sehr gute Komplexität, unglaublich eigenständig mit saftigem Auftakt, rotfruchtig, schöne Würze, einiges an Gerbstoff und erwartungsgemäss auch diese sehr knackige Säure die den Wein saftig macht und die herrliche Frucht stützt. Im Abgang von mittlerer Länge, endet auf Blutorangenzesten… Ein sehr spezieller Wein, mit Ecken und Kanten, er lässt sich nicht einordnen, will probiert werden , fordert Zeit, ihn zu verstehen.
Interessanterweise sind neben dem „jungen“ 2006er sowie dem 1999er sowohl die Jahrgänge 1969, 1967 und 1965 als auch 1934 und sogar 1931 noch in kleinen Mengen verfügbar. Diese sind, wie könnte es für dieses aussergewöhnliche Produkt auch anders sein, auch in aussergewöhnliche Flaschen gefüllt. Die alten Jahrgänge in 0.65 Liter-Flaschen, die jüngsten Jahrgänge in 0.5 Liter-Flaschen.
Ebenfalls verkosten konnten wir einen weissen Wein von Collares. Es handelt sich dabei um die Sorte Malvasia welche auf den kargen Böden einen gelungenen Wein ergibt, der mit seinem salzigen Abgang hervorragend zur lokalen Fischküche passt.
Helles Goldgelb, schöner Glanz. Reine, offene Nase, Honig, Limone, weisse Blüten, frisch, durftig, auch Grünte-Aromen, schöne Komplexität. Sehr feiner Auftakt, knackige Säure, sehr mineralisch, trocken, Zitrusfrüchte, auch ein Hauch rosa Grapefruit und am hinteren Gaumen eine zarte Bitternote, gute Komplexität und sehr schöne Länge. Ein frischer, knackiger Wein mit sehr schöner Salzigkeit im Abgang. Jetzt bis 2020.
Wer Lissabon besucht sollte sich den Abstecher in Richtung Sintra gönnen und dort nicht nur das Königsschloss mit langer Geschichte sondern auch das Weingut ADEGA VIÚVA GOMES mit viel Geschichte besuchen. Der herzliche José Baeta wird sich über einen Besuch freuen und der geneigte Weinfreund kann die eine oder andere Bildungslücke schliessen.
Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
…und das sind eine Erlebnisse mit einem der ungewöhnlichsten Weine Portugals 🙂
https://www.facebook.com/SchloesserweltenEuropas/videos/vb.234119959995092/10151827086793883/?type=2&theater
ja wirklich ungewöhnlich… und darum umso mehr spannend. danke für den link!