Kleine aber feine Weinrunde

Bisher habe ich nur sehr wenige Hermitage-Weine getrunken. Irgendwie habe ich den Zugang bei den jüngeren Gewächsen nicht gefunden und was Reifes kam mir leider auch nicht ins Glas.

Philipp hat diesem Trauerspiel gestern ein Ende gesetzt und brachte zwei La Chapelle aus 1996 und 2001 mit. In kleiner aber durchaus geselliger Runde genossen wir die beiden Hermitage umrahmt von einigen anderen Tropfen. Notizen habe ich nicht erstellt (man will bei solchen Gelegenheiten ja reden, nicht schreiben), doch ein paar durchaus angenehme Erinnerungen sind hängengeblieben.


Auftakt machte ein Weissburgunder von Ca’dell Bosco. Der Wein präsentiert sich feinduftig mit Aromen von weissen Blüten. Am Gaumen sehr ausgewogen, hervorragendem Holzeinsatz (so viel Fingerspitzengefühl wünschte ich manchem weissen Burgunder). Der Wein passte gut als Aperitiv, kann aber durchaus auch ein Fischgericht begleiten. 16.5 vvpunkte.

Zum Salat mit frischen Eierschwämmli (Pfifferlinge) gab es ein Glas Pinot Noir Spätlese 2007 vom Weingut Schipf am Zürichsee. Ein äusserst männlicher, charaktervoller Pinot mit weicher Frucht, einer feinen Würze und reifen Gerbstoffen. Wer authentische Pinots mag, ist hiermit gut bedient. 16.5 vvpunkte. 2011-2016.

Zum Hauptgang, Kalbsfilet vom Grill auf einem Bett von afrikanisch gewürzten, gelben Linsen, kamen dann die Hermitages ins Glas.

Der 1996er stammt gemäss Philipp aus einer schwierigen zeit von Jaboulet. Im Glas präsentierte er sich mit einer betörenden Nase, angenehm reife Noten, eine schöne Würze, die Frucht eher rotbeerig – hier mag man schnüffeln. Am Gaumen erst feiner, weicher Auftakt, angenehme Frucht, gut integrierte Gerbstoffe und merklich Säure, ein paar Grüntöne kann man nicht abstreiten, diese stören mich allerdings nicht sonderlich. Angenehmer, mittellanger Abgang. 17vvpunkte (90) und vor allem ein Nasen-Highlight. Schön reif mit Reserven. 2011-2018.

Der 2001er leitete nach Einschätzung von Philipp die Rückkehr zu qualitativ hochwertigeren Weinen ein. Die Nase ist noch nicht ganz offen, hat aber eine herrliche Tiefe, sehr vielversprechend. Am Gaumen muskulöser als der 96er, da ist Frucht, da ist Gerbstoff und sehr belebende Säure. Die Komponenten sind für meinen Geschmack bereits sehr gut integriert, Philipp meinte allerdings, dass der Wein noch etwas mehr Zeit braucht. Nun ja, mir gefällt er heute schon ausgezeichnet. Der Abgang ist lang und rundet das Gesamterlebnis perfekt ab. 18.5 vvpunkte (94). 2011-2025.

Weiter kam ein 1982er Sociando-Mallet ins Glas. Die Nase zeigte viel Graphit, keine Spur von grüner Paprika dafür diese herrliche Süsse die ältere Bordeaux-Weine entwickeln können. Am Gaumen ist der Wein sehr ausgewogen, hat Kraft und ist doch elegant, die Säure stützt hervorragend. Sehr schöner, langer Abgang. Ein auf den Punkt gereifter Tropfen der sicher nicht mehr besser wird, aber durchaus noch ein paar Jahre auf diesem Niveau bleiben kann. 17 vvpunkte (90).

Schliesslich rundeten wir den Abend mit einem wahrhaftig runden Nebbiolo ab. Der 2003er No.1 von Plozza ist für mich ein faszinierendes Beispiel für einen Wein der Tradition und Moderne perfekt vereint. Schon jung zugänglich und doch mit solidem Reifepotential. Duftige Nase, da sind rote und Dunkle Beeren, etwas Schokolade, Rauch und eine warme Süsse, dam Gaumen schmeichelhaft aber nicht plump und mit perfekt reifen Gerbstoffen. Hervorragender Wein und wohl perfekt um Nebbiolo-unerfahrene Menschen an diese nicht ganz einfache Traubensorte heranzuführen. 17.5 vvpunkte (92). 2011-2020.

Unterm Strich ein wahnsinnig genussvoller Abend mit perfekten Gästen und – trotz leichtem Regen – viel frischer Luft auf unserem Balkon.

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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