Chianti von einem anderen Stern
«Grosse Weine sind immer gross», sage ich gerne, wenn mich jemand fragt, was einen grossen Wein von einem sehr guten Wein unterscheidet. Und diese simple Maxime trifft eigentlich immer zu. Ob im Burgund, wo die herausragenden Weine von DRC, Rousseau, Fourrier, Roumier, Dujac, Anne Gros, Lachaux etc. ob jung oder alt stets Freude bereiten, oder ob wir von anderen Regionen wie Bordeaux, Piemont oder auch Loire sprechen: Cheval-Blanc, Barolo Francia von Conterno oder Clos Rougeard machen immer Spass! Es sind Weine von Top-Produzenten, die selbst in ihrer Jugend ihre Grösse zeigen und nie die Frage aufkommen lassen, ob man den Wein noch ewig lange lagern muss, bis er wirklichen Genuss verspricht. Das will jetzt nicht ein Aufruf sein, alle grossen Weine gleich nach ihrer Abfüllung zu trinken, aber ich wage an dieser Stelle zu behaupten, dass in der Welt der noblen Weine deutlich mehr Flaschen zu spät geöffnet als zu früh genossen werden.
Doch nun zum eigentlichen Thema: Il Caggio Ipsus vom Castello di Fonterutoli, ein Chianti Classico Gran Selezione, der auf den ersten Blick zwar interessant klingt, bei einem nicht weiter informierten Weinfreak aber kaum die Assoziation «Grosser Wein» hervorrufen dürfte. Der Wein ist aber gross, um nicht zu sagen riesig, denn die kürzlich verkosteten Jahrgänge 2015, 2016 und 2018 waren ein Wein-Erlebnis, das sich bei mir in die Reihe der ganz grossen Genuss-Highlights einreihen wird.
Die Trauben für den Ipsus gedeihen in einer rundum von Bäumen geschützten, 6.5 Hektar kleinen Südwestlage namens Il Caggio, die auf 320 bis 350 Metern über Meer liegt. Il Caggio profitiert von einer optimalen Sonneneinstrahlung und ist gleichzeitig sehr gut belüftet, was zusammen mit den von Kalkmergel durchzogenen Tonschieferböden schlicht perfekt ist, für den Anbau von Sangiovese. Auf sechs Mini-Parzellen, rechts im Weinberg zwei grössere, links vier kleinere, gedeihen insgesamt sieben unterschiedliche Sangiovese-Klone, die das Ergebniss einer 50jährigen Forschung sind. Vier der Klone stammen exklusiv aus einer Selektion von Mazzei, drei weitere aus der Chianti Classico-Selektion. Die Reben werden biologisch kultiviert, wobei der Einsatz von Kupfer lediglich 35 Prozent dessen beträgt, was für Bio-Weingüter zugelassen ist. Die ersten Mikro-Vinifikations-Versuche wurden bereits 2006 initiiert, doch erst mit dem Jahrgang 2015 hat der Ipsus offiziell das Licht der Welt erblickt.
Die strenge Selektion des Traubengutes führt dazu, dass vom Spitzen-Cru Ipsus in einem mittleren Jahr gerade mal 3’000 Flaschen produziert werden. Dass dieser Mix aus hoher Qualität und geringer Menge seinen Preis hat, liegt auf der Hand. Mit rund CHF 300 pro Flasche kann man beim Ipsus sicherlich nicht mehr von einem Schnäppchen sprechen, doch Hand aufs Herz: Die initial genannten «grossen Weine» kosten allesamt mehr und für mich ist klar: Wer sich ab und an ein grosses Weinerlebnis gönnen möchte, macht mit dem Ipsus nichts falsch, denn das ist grosses Sangiovese Kino!
2015, «Il Caggio Ipsus», Chianti Classico Gran Selezione, Castello di Fonterutoli, Marchesi Mazzei, Italien, Toskana, Chianti Classico (100% Sangiovese, 13.5% Alkohol). Mittleres Granatrot. Offene Nase, intensive Frucht, rote Beeren, Zwetschgen, Kräuter, Tee. Im Auftakt kräftig und doch elegant, superfeines Tannin, cremige Textur, weich und rund im Charakter, mit knackiger, auf den Punkt gereifter Frucht und einem sehr guten Spannungsbogen. Der Wein hat eine grosse Harmonie und zeigt im Abgang eine sehr gute Länge. Das ist geballte Kraft in ein federleichtes Kleid gehüllt. Der 2015er Ipsus macht ab sofort Spass, hat sicherlich Reserven bis 2035. 96 vvPunkte
2016, «Il Caggio Ipsus», Chianti Classico Gran Selezione, Castello di Fonterutoli, Marchesi Mazzei, Italien, Toskana, Chianti Classico (100% Sangiovese, 13.5% Alkohol). Etwas dunkleres Granatrot als der 2015er, zeigt auch Rubintöne. Die Nase ist tiefgründig, kühl, distanzierter, noch komplexer als schon 2015, wird mit Luft immer expressiver, zeigt Waldbeeren, roten Kirschen, steinige Noten, die mich an einen Tessiner Granittisch nach einem Sommerregen erinnern, dazu auch etwas Rauch, Gewürze, ein faszinierendes Duftspiel. Im Gaumen top strukturiert, schlank, jedoch mit viel Kraft und Energie, ungemein balanciert, stählerne, super präzise Gerbstoffe, ausgezeichnete Harmonie der Elemente, der Wein zeigt enorm viel Frische und hallt im Abgang eine kleine Ewigkeit nach. Darf noch ein paar Jahre reifen, hat hervorragende Reifeperspektiven. Jetzt bis 2044+, 98 vvPunkte
2018, «Il Caggio Ipsus», Chianti Classico Gran Selezione, Castello di Fonterutoli, Marchesi Mazzei, Italien, Toskana, Chianti Classico (100% Sangiovese, 14% Alkohol, nach dem Ausbau in kleinen und grossen Fässern von Stockinger wurden die einzelnen Lots im Keramik-Tank vermählt). Mittleres Granatrot. Bereits wunderbar offene Nase, intensive Frucht, zeigt ähnlich wie der 2015er Zwetschgen-Aromen und viele rote Beeren, darüber florale Noten, Blütentee, darunter eine faszinierende, steinige Mineralik. Im Auftakt ist der Wein cremig, rund, fruchtbetont und kräftig, keinerlei Holzeinfluss ist wahrnehmbar, natürlich noch jugendlich, anfangs etwas wilder als die älteren Jahrgänge, doch bereits jetzt ein grandioses Trinkerlebnis, denn jedes Element ist hier an seinem Platz: Perfekt reifes, feinkörniges Tannin, gute Säure, die 14% Alkohol wunderbar verpackt und im Abgang mit ausgezeichneter Länge und rotfruchtigen Rückaromen. Ein Gedicht. Jetzt bis 2038+, 96 vvPunkte
Mehr über Ipsus erfährt man direkt auf www.Ipsus.it
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