Knewitz: Herkunft statt Stilnebel.
«Herkunft ist das Stichwort.», sagt Tobias Knewitz sinngemäss während der Zoom-Präsentation seiner Weine, «Es geht nicht nur um Stil. Während heute die Spur Reduktion und etwas „Funkyness“ zum guten Ton jedes hippen Weinguts gehören, versuchen wir bei Knewitz die Eigenständigkeit der Lagen wieder herauszuarbeiten». Das ist eigentlich kein neues Konzept. Die Lagennamen waren in Deutschland bis in die 1970er Jahre hinein alles, so dass – ähnlich wie im Burgund – auf vielen Weinflaschen nicht die Rebsorte sondern nur der Name der Lage ersichtlich war. Die Bedeutung der Lage ging dann aber etwas verloren, wurde mit viel Rebsorte und Holz zugedeckt und kommt erst jetzt mit dem Generationswechsel wieder auf den Radar der Weinbetriebe, die in der Spitzenliga mitspielen möchten.
Frankreich hat diesen Pfad interessanterweise nie verlassen. Man hat da schon immer verstanden, dass Wein Finesse haben muss. Weine sollen Essbegleiter sein, es geht nicht um überreife Frucht und viel Alkohol, es geht nicht um den Geschmack des Küfers respektive des Holzes, sondern einzig und allein um den Ausdruck des Terroirs, der Lage und des Jahrgangs. Darum gibt es in den klassischen Regionen Frankreichs auch selten Weine, die fett sind. «Einen Chardonnay sollte man nicht mit Messer und Gabel essen müssen» sagt Knewitz, «vielmehr sollte man Filigranität wieder zulassen, Wein und Speisen sollen sich ergänzen, nicht gegenseitig totschlagen». Diesen Aussagen ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.
Das Weingut Knewitz, zwischen Mainz und Bingen gelegen, besitzt 25 Hektar Rebberge im Westbachtal, das vor 40 Millionen Jahren entstanden ist. Auf den äusserst kalkreichen Böden aus dem Tertiär gedeihen die Reben der beiden Brüder, die heute das Weingut leiten. Beide haben bei renommierten Weingütern Erfahrungen sammeln können, so bei Wittmann oder im Burgund bei der Domaine Boisson-Vadot. 2010 war der erste von der jungen Generation vinifizierte Jahrgang und seither suchen sie mit jedem Jahrgang nach noch mehr Perfektion. Aktuell ist man bei Knewitz in Umstellung zu Bio (ab 2020) und auch der biodynamische Weinbau beeindruckt die beiden Brüder sehr. Allerdings will man erst das Eine fertig machen und wenn dieses «dann flutscht» geht’s auf die nächste Reise. Nun, die drei während dem von Tobias Hess von Terravigna organisierten Zoom-Call probierten Weine flutschten auf jeden Fall sehr…
2019, Appenheimer Riesling Kalkstein, Weingut Knewitz, Rheinhessen, Deutschland (100% Riesling, aus Parzellen die im mittleren Hangbereich liegen, Maischestandzeit, schonende Pressung, Gärung mit traubeneigenen Hefen im Edelstahltank und traditionellen Holzfass. 4.5g RZ, 8g Säure). Helles Gelb. Die Nase duftet sortentypisch, fruchtig, Zitronen, Pfirsich, sogar Aprikosen, dazu eine sommerliche Kräuternote. Im Gaumen mit süsslichem Auftakt, die reife Frucht wird von der gut integrierten Säurestruktur getragen, der Wein hat lediglich 12.5% Alkohol, zeigt aber ordentlich Schmelz und eine fast schon cremige Textur, bleibt auch am mittleren Gaumen saftig und frisch und endet mittellang auf zitrische Noten und eine zarte Salzigkeit. Aktuell noch jugendlich, könnte noch zulegen, hat Reserven. 88-89/100 vvPunkte.
2018, Riesling Hundertgulden, Weingut Knewitz, Rheinhessen, Deutschland (100% Riesling aus einer der besten Lagen der Familie Knewitz wenn nicht sogar im ganzen nördlichen Teil Rheinhessens. Harter Kalk und mit kalk durchzogener Lehm machen diese Lage zu einer der kalkreichsten Weinlagen Deutschlands. Kurze Maischestandzeit, schonende Pressung, Gärung mit traubeneigenen Hefen im traditionellen Holzfass. 4.2g RZ, etwas höherer pH Wert als 2019). Helles Gelb. Die Nase ist sehr intensiv duftend, ein Mix aus Pfirisch, Mango, und mit Limetten beträufelte Papaya lassen grüssen, das versetzt mich gleich in die Zeit von Jamaica zurück, wo wir uns dies jeden Morgen zum Frühstück gönnten, darüber schwebt eine unverkennbare Kalkstein-Mineralik, spannend, komplex. Im Gaumen straff, der Wein wirkt trotz mehr Alkohol und einem wärmeren Jahr etwas schlanker und präziser als der Appenheim Riesling Kalkstein, äusserst druckvoll und sehr saftig, mit messerscharfer Säure und einer belebenden Leichtigkeit tänzelt der Wein über die Zunge, hinterlässt im Abgang viel Salzigkeit und einen Mix Limetten und grünen Äpfeln. Das hat für mich ganz klar GG-Qualität. Jetzt bis 2030+, 92/100 vvPunkte.
2019, Chardonnay Holzfass, Weingut Knewitz, Rheinhessen, Deutschland (100% Chardonnay, Ganztraubenpressung, vergoren mit Naturhefen im Holz, Ausbau zu 70% in Barriques, zu 30% im traditionellen 1250 Liter Holzfass aus neuer, heimischer Eiche). Mittelkräftiges Gelb. Anfangs minim reduktiv doch diese Note verzieht sich rasch, gibt Aromen von Zitrusfrüchten und Stroh die Bühne frei, dahinter ist das Holz wahrnehmbar. Der Auftakt ist üppig, fast etwas zu fett im ersten Eindruck, spürbar Holz, dieses ist jedoch top eingebunden, am mittleren Gaumen wird der Wein immer schlanker, präziser, eine sensationelle Säure stützt die reife Frucht, wird gegen hinten immer burgundischer im Stil und zeigt im Retrofinale neben einer zitrischen Frucht Feuerstein und eine dezente Buttrigkeit. Ein Chardonnay zwischen Kraft und Frische, zwischen Üppigkeit und Eleganz. Jetzt bis 2030, 91/100 vvPunkte.
Die Weine von Knewitz sind in der Schweiz bei Terravigna und teils auch bei Pinot & Friends erhältlich. Mehr über das Weingut erfährt man direkt auf der Homepage von Knewitz.
Dein Kommentar
Want to join the discussion?Feel free to contribute!