Weingut Schlössli Schafis: Eine Pinot-Vertikale.

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An einer fast schon paradiesisch schönen Lage, südlich ausgerichtet, zwischen Bielersee und Wald, liegen die von Stützmauern umgebenen, begrünten Parzellen des Weingut Schlössli.

Erbaut wurde das pittoreske Schlössli Schafis im Jahr 1570. Heute steht es teils unter Heimatschutz. Jakob Teutsch erwarb das Anwesen, das bis heute im Besitze der Familie Teutsch ist, im Jahr 1830.

Steht teils unter Heimatschutz: Weingut Schlössli Schafis (c) vvWine.ch

In sechster Generation bewirtschaftet heute Fabian Teutsch-Marugg das rund 7 Hektar grosse Weingut. Die steil zum See abfallenden Lagen lassen nur bedingt eine maschinelle Bearbeitung zu und fordern die Winzercrew bei ihrer täglichen Arbeit dementsprechend. Zusammen mit seiner Frau Irene, die aus der Bündner Herrschaft stammt, produziert Fabian heute nach biologischen Richtlinien einen ganzen Strauss von Weinen aus den Sorten Pinot Noir, Chasselas, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Pinot Gris, Diolinoir, Gamaret und Rhein Riesling. Letzterer wurde übrigens in einer Variante auch als Orange Wine gekeltert und in schwarze 50cl Flaschen gefüllt, die dann mit Wachskapseln versiegelt wurden.

Im wunderschönen Keller des Schlössli treffen Tradition und Moderne aufeinander. Die Weine werden teils in grossen Eichenfässern, teils im Barrique ausgebaut. Auch mit Amphoren wird experimentiert. Die natürliche Feuchtigkeit, die durch Bergdruck entsteht, schaffen in den altehrwürdigen Kellerräumen ideale Voraussetzung für die Reifung des Weins.

Rheinriesling-Parzelle gleich neben dem Haus (c) vvWine.ch

Aushängeschilder des Gutes sind der Pinot Noir Reserve und seit 2014 auch der Grand Pinot, welcher aus Trauben von ausgewählten Parzellen gekeltert und in zu 100% neuen Eichenfässern ausgebaut wird. Noch immer etwas auf der Suche nach dem eigenen Stil lud Fabian kürzlich zu einer spannenden Vertikalverkostung. Anwesen waren neben Fabian und Kieran Graham (Fabian nennt den aus Schottland stammenden Kellermeister mit einem Augenzwinkern auch «seine dritte Hirnhälfte») einige Journalisten sowie befreundete Winzer, darunter auch Jean-Denis Perrochet von La Maison Carrée in Auvernier. Die Teilnehmer äusserten in ungezwungenem Rahmen allesamt offenherzig ihre spontanen Eindrücke zu den verschiedenen Jahrgängen.

Nachfolgend meine Notizen, die meinen Leserinnen und Lesern einen Einblick ins Schaffen von Fabian Teutsch und seinem Team geben dürften.  

10 Jahre Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli Schafis (c) vvWine.ch

2008, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Mittleres Rubin, ein noch schöner Glanz. In der Nase gereift, angenehm tief mit Noten von Speck und Kohle, auch Waldboden, Pilze, etwas Leder, öffnet sich mit mehr Luft immer immer mehr und wird rotfruchtiger, zeigt Walderdbeeren, Blutorangen. Im Gaumen schlank, zugänglich, etwas karg, die Säurestruktur dominiert, die Tannine sind gut eingebunden, leicht trocknend, die Frucht ist anfangs im Hintergrund, zeigt sich im Abgang dann aber von einer sehr eleganten Seite. Ein schön gereifter Pinot mit Finesse und noch Reserven. 17.5 vvPunkte (88/100).

2009, Pinot Noir Classic, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. (Drehverschluss). Reifes Rubin. Speckige, rauchige Nase, deutlich Cassis, warm anmutend, eingekochte Rhabarber und etwas Erdbeere, dezent etwas Kräuter. Der Auftakt ist weich, fast schon mollig, eine warme, reife Frucht wird von gut eingebundenem Gerbstoff getragen. Im Abgang von guter Länge. Mehr Kraft als Eleganz, auf dem Peak. Trinken bis 2023. 17.5 vvPunkte (87/100).

2010, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Helles Rubin, aufgehellter Rand. Offene Nase, deutlich weniger Cassis als der 2009er, mehr Johannisbeere, Rhabarber, Erdbeeren, Kräuter, sogar etwas Tee und getrocknete Rosen, wirkt verspielt und angenehm komplex. Schlanker Gaumen, filigran, mit schöner Säure und einer guten Tanninstruktur, ausgewogen, elegant, würzig, und fast etwas «spicy» im langen Finale. Ein gereifter, harmonischer und frischer Pinot, gefällt mir sehr, sehr gut. Trinken bis 2024. 18 vvPunkte (91/100).

Farblich und aromatisch noch voll im Saft: Der 2008er Pinot Noir Reserve (c) vvWine.ch

2011, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Reifes Rubin. In der Nase weit entwickelt, oxidative Noten, Portwein, eingekochte Kirschen. Im Gaumen reif, sehr weit entwickelt, gute Säure, sehr reifes Traubengut, wirkt müde, gezehrt. Mittellanger Abgang, endet leicht trocknend. 16.5 vvPunkte (82/100).

Diese Flasche zeigte sich nicht in Hochform, darum öffnete Fabian eine Konterflasche, die einmal mehr gnadenlos aufzeigte, dass es ab einem gewissen Alter keine guten und schlechten Jahrgänge sondern nur noch gute oder schlechte Flaschen gibt.

2011, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne (2. Konterflasche). Reifes Rubin. In der Nase expressiv, keine oxidativen Noten, wirkt viel frischer, zeigt ebenfalls eine reife Frucht, etwas Tabak, Trockenkräuter, spannend. Im Gaumen zugänglich, weich, rund, wirkt deutlich harmonischer und knackiger als die erste Flasche, endet im Abgang weniger trocknend. Kommt in Sachen Harmonie nicht ganz an den 2010er ran. Öffnen und auf eine gute Flasche hoffen. Jetzt bis 2022, 17.5 vvPunkte (89/100).

Sichtlich stolz auf seine Range: Fabian Teutsch (c) vvWine.ch

2012, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Mittleres Rubin. Intensive Nase, duftig, mit deutlichen Röstnoten, kühler Kamin, getrocknetes Leder, dahinter reife Kirschfrucht. Der Gaumen ist anfangs zugänglich, wird dann jedoch straff, zeigt einiges an Struktur, hat Kraft und Dichte, die Säure ist knackig, der Alkohol ist etwas gar im Vordergrund. Auf der rustikalen Seite, wild und mit Ecken und Kanten. Kann noch reifen. Jetzt bis 2025, 17.5 vvPunkte (89/100).

2013, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Helles Rubin. Anfangs etwas verhaltene Nase, braucht ein bisschen Zeit, zeigt sich dann aber feinduftig und charmant mit Noten von reifen Johanisbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren und Kräutern. Schlank, frisch und knackig im Gaumen, leichter Körper, gute Struktur, die Gerbstoffe markieren, wirken etwas klebrig, dennoch, der Wein zeigt Energie, hat Charakter und endet angenehm lang auf eine reife Waldbeer-Frucht. Ein stimmiger, ehrlicher Pinot mit Charakter. Kann noch reifen. Jetzt bis 2025, 17.5 vvPunkte (89/100).

2014, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Kräftiges Rubin. Verhaltene Nase, staubig, kühl, rauchig, zeigt wenig Expressivität, wirkt diffus. Im Gaumen zugänglicher, fast schon opulent, ein Blender, zeigt dann aber eher wenig Körper, eine markante Struktur und eine saftige Säure, die Gerbstoffe markieren etwas stark, wirken fast ungehobelt. Im mittellangen Abgang mit einer diffusen Aromatik. Kein einfacher Jahrgang, ein Wein der am besten zu einem deftigen Essen genossen wird. 17 vvPunkte (87/100).

Tradition und Moderne: Die Fasskeller des Weingut Schlössli (c) vvWine.ch

2014, Le Grand Pinot, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne (Im Doppelbarrique ausgebaut, 100% Neuholz). Kräftiges Rubin. Intensivere Nase, deutliche Röstnoten, dunkle Beeren, Gewürze, auch etwas Kräuterspeck, komplex. Im Gaumen rund, mild, harmlos im Auftakt, breitet sich dann aus, zeigt eine gewisse Fülle, ohne dabei schwer zu wirken, das Holz ist gut eingebunden, verleiht zusammen mit der Säure und dem reifen Tannin eine gute Struktur. Endet langanhaltend auf reife Früchte und eine rauchige Note. Ein sehr gelungener 2014er der reifen kann. 18 vvPunkte (90/100).

2015, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Leuchtendes Rubin. Expressive Nase, viel Cassis, Kräuter, darüber florale Noten. Der Auftakt gradlinig, angenehm straff, die Frucht wirkt knackig, saftig, wird von einer sehr guten Struktur getragen, am mittleren Gaumen mit viel Zug und Druck, sehr energiegeladen und mit mehr Harmonie als der 09er. Wirkt für mache vielleicht fast zu gemacht, zu brav, dürfte jedoch sehr gut reifen. Ein Charmeur! 2021-2028. 18 vvPunkte (90/100).

2016, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Mittleres Rubin. Tiefgründige Nase, sehr feinduftig, Kräuter, getrocknete Blumen, rote Johannisbeere, Sauerkirsche. Im Gaumen finessenreicht, schlank aber mit sehr guter Struktur, druckvoll, saftig, ausgewogen, filigran, tänzerisch leicht und im Abgang mit beeindruckender Länge. Endet feinwürzig auf reife Kirschen und etwas Blutorangen. Ein sehr schöner Pinot, Eleganz und Kraft sind hier optimal vereint. 2021-2030+. 18.5 vvPunkte (92/100).

Spannende Aromatik: Der Rhein-Riesling Orange (c) vvWine.ch

2016, Le Grand Pinot, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne (Im Doppelbarrique ausgebaut, 100% Neuholz). Mittleres Rubin. Etwas verhaltener in der Nase, das Holz jedoch sehr gut verwoben, neben der dunklen Frucht sind auch Eukalyptusnoten wahrnehmbar, wirkt sehr jung. Der Auftakt ist weich, fast schon cremig in der Textur, das reife Tannin umgarnt die knackige Frucht, lebhafte Säure, ein Wein mit viel Frische. Endet im Abgang langanhaltend auf einen Mix aus dunklen und roten Beeren. Etwas mächtiger als der Reserve, muss unbedingt reifen, kann zulegen. Gerne würde ich diese beiden 2016er-Weine in 5 Jahren nochmals vergleichen. 2022-2032+. 18 vvPunkte (91/100).

2017, Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne (ab 2017 werden keine Seguin Moreau Fässer mehr eingesetzt sondern primär Fässer von Saury). Mittleres Rubin. Anfangs verhaltene Nase, braucht Zeit, entwickelt sich dann sehr schön im Glas, frisch, würzig, mit Noten von Veilchen, Trockenkräutern, Sauerkirschen, auch Erdbeeren. Straffer Gaumen, gradlinig, klar und rein, noch sehr jugendlich, fast etwas ungestüm, um nicht zu sagen wild, reife, knackige Frucht, zeigt Energie und Eigenständigkeit, braucht unbedingt etwas Reife, kann noch zulegen. 2023-2030+. 18 vvPunkte (91+/100).

2017, Le Grand Pinot, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne (im Doppelbarrique ausgebaut, 100% Neuholz). Kräftiges Rubin. Noble Nase, feinduftig, tiefgründig, auch dieser Wein ist noch stark vom Holz geprägt, mit etwas Luft zeigen sich würzige Noten, Lakritze, reife Kirschen. Weicher, zugänglicher Gaumen, wirkt opulenter, runder und voller als der Reserve, die Frucht ist reif, die Tannine bereits gut verwoben, druckvoll, kräftig und natürlich noch jugendlich, jedoch mit sehr guten Anlagen. Ein kräftiger und doch frischer Wein, unbedingt 3-5 Jahre liegen lassen! Ab 2024-2032+. 18+ vvPunkte (91+/100).

Mit Luft nach Oben: 2017er Pinot Noir Reserve, Weingut Schlössli (c) vvWine.ch

2018, Pinot Noir Classic, Weingut Schlössli, Schafis, AOC Lac de Bienne. Leuchtendes Rubin. Sehr offene Nase, expressiv, dunkle und rote Früchte, viel Cassis, auch Brombeeren, dazu Gräser. Im Gaumen fleischig, rund, zugänglich, bereits gut eingebundene Gerbstoffe, moderate Säure, durchaus charmant und mit solider Länge. Ein gelungener Tischwein der ab sofort Spass macht. Nicht zu warm aber aus grossen Gläsern geniessen. 17.5 vvPunkte (88/100).

Mein Fazit: Die Schlössli-Weine sind gelungene Pinot-Noir. Sie altern gut und reflektieren die Jahrgangstypizitäten ehrlich. Stilistisch muss sich das Weingut Schlössli zwar noch etwas finden. Die 2016er und 2017er Weine (und das im Keller degustierte Fassmuster des 2019ers…) lassen mich aber nicht daran zweifeln, dass hier ein neuer Stern am Bielersee aufgegangen ist.

An dieser Stelle: Herzlichen Dank an Fabian und sein Team für diese spannende Verkostung. Jüngere Jahrgänge sind direkt beim Produzenten erhältlich.

Kurz, bevor das Treberwurstessen losging, machte ich mich dann leider auch schon wieder auf den Heimweg (c) vvWine.ch
4 Kommentare
  1. Rainer Volz
    Rainer Volz says:

    Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Bericht. Ich verfolge Pinot Noir aus der 3-Seen-Region mit grossem Interesse.
    Ich empfinde grossen Respekt für die gute Arbeit und die fairen Preise des Weingut Schlössli, dennoch bin ich enttäuscht von der Entwicklung des Pinot Noir Reserve in der Flasche. Sowohl der Jahrgang 2009 als auch 2011 hat mir im Jungweinstadium weit besser gefallen als nach fünf oder mehr Jahren Flaschenreife. Jung waren diese Weine lebendig, fruchtig, intensiv, mit gutem Tiefgang. Nach fünf oder mehr Jahren Flaschenreife empfand ich die selben Weine als etwas müde, mit leichter Oxidation, schwacher Frucht und vordergründigem Alkohol. Meine These: der durchschnittliche Schweizer Weinkonsument kauft Pinot Noir nur, wenn dieser sich harmonisch und genussbereit zeigt. Die Produzenten reagieren entsprechend, was zu Weinen führt, die nicht gut altern.

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    • adrian.vanvelsen
      adrian.vanvelsen says:

      Lieber Rainer. Danke für die Rückmeldung. Ich denke, das mit 2009 und 2011 bestätigt ziemlich gut, dass die „wahren“ Pinot-Jahre leider meist die „längerfristig schwächeren“ Jahre sind. Der kühlere 2010er präsentierte sich wirklich sehr schön, der 2011 (wie beschrieben) problematisch (2. Flasche war jedoch deutlich besser). 2016 war für mich – x Fingers – eine Bank – das macht heute Spass, wird gut reifen… 2015 und 2017 dünkten mich, trotz mehr Wärme ebenfalls gut gelungen. Eine Garantie gibt’s natürlich nie und die Stilistik ist noch nicht gleich gut erkennbar, wie bei anderen Weintütern. Dennoch: Das Team vom Schlössli scheint mir auf einem guten Weg zu sein. Try 2016 Reserve… Herzlich, Adrian

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  2. Peter Reinhardt
    Peter Reinhardt says:

    Ich kann von 2 Degustationen berichten, bei denen der 2010er Jahrgang in der Herrschaft ganz oben gelandet ist. Einerseits bei einer Gantenbein Vertikale (2001-2016), wo der 2010er das höchste durchschnittliche Rating hatte und anderseits von einer grossen Burgunder Vertikale mit 15 Weine (die zum Teil 4-stellige Preise haben), bei welchem der Pirate Studach 2010 nur ganz knapp auf den zweiten Platz verwiesen wurde.

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    • adrian.vanvelsen
      adrian.vanvelsen says:

      Danke für die Rückmeldung, das kann ich teils gut nachvollziehen. Mit dem Klimawandel werden einst „schwierige Jahre“ vielleicht der Schlüssel zum Erfolg…

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