Von Strukturierten Produkten zu strukturierten Weinen.

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Hoss Hauksson ist studierter Mathematiker und arbeitete während vielen Jahren in der Finanzbranche, wo er unter anderem bei Goldman Sachs im Bereich der Rohstoffe und bei der Zürcher Kantonalbank im Bereich der Strukturierten Produkte tätig war. Nach 20 Jahren im Büro hat Hoss im Jahr 2017 den Schritt gewagt und seinen eigenen Weinbaubetrieb gegründet.
Aktuell ist er im zweiten Jahr der Umstellung auf bio-dynamisch. Der Rohstoff heisst nun Terroir und statt komplizierte Strukturierte Produkte macht er heute komplexe und strukturierte Weine.

Ich verkostete bereits im Jahr 2017 einmal einen Wein von Hoss, der damals noch hobbymässig in der Waschküche seines Hauses kelterte. Dieser 2015er Pinot Noir gefiel mir stilistisch bereits damals schon sehr gut, die Notizen dazu, kann man hier nachlesen.

Eine Palette mit Tiefgang: die Weine von Hoss Hauksson (c) vvWine.ch

Gut zwei Jahre später, am Morgen des 1. Mai 2019, traff ich Hoss persönlich und lernte nicht nur seine jüngste Kollektion, sondern auch einen äusserst interessanten Menschen und engagierten Winzer kennen. Seine Weinberge verteilen sich auf drei Ortschaften; wohlverstanden zwei davon nördlich und eine davon südlich des Gotthards.

Parzellen nördlich und südlich des Gotthards.

Die Parzellen Rütiberg, Alpberg und Horn befinden sich in Remigen im Kanton Aargau. Sie sind südlich ausgerichtet und mehrheitlich mit Pinot Noir, Müller-Thurgau (Riesling-Silvaner), Riesling sowie Kerner bepflanzt. Die Rebstöcke verfügen über ein stolzes Alter von 20 bis 40 Jahren und gedeihen auf Kalkböden, die mit einer dünnen Schicht aus Lehm und Sand bedeckt sind.

In seinem Element: Hoss Hauksson erklärt seine Weine (c) vvWine.ch

Ebenfalls im Aargau liegt die Gemeinde Döttingen, wo Hoss Hauksson neben Pinot Noir auch Malbec, Blaufränkisch, Pinot Gris, Müller-Thurgau und etwas Sauvignon Blanc kultiviert. Auch diese Weinberge sind südlich exponiert und profitieren von einem für Schweizer Verhältnisse sehr trockenen Klima.

Und dann bewirtschaftet Hoss auch noch eine Parzelle im Kanton Tessin, genauer gesagt in Gordemo. Hier wachsen teils 100 Jahre alte Merlot-Reben an einem steilen, sehr schwierig zu bearbeitenden Südhang. Nur eine dünne Humusschicht bedeckt hier den Granit-Felsen, was zu tiefen Erträgen und deutlich mineralisch geprägten Weinen führt.

Die Weiss- und Roséweine von Hoss Hauksson (c) vvWine.ch

Die aktuelle Wein-Kollektion von Hoss Hauksson.

2018, Alpberg Müller-Thurgau, AOC Aargau, Hauksson (Riesling-Silvaner, 4 Tage auf der Maische vergoren). Helles Weissgold. Offenes, für die Rebsorte sehr intensives Bouquet nach Apfel, etwas Muskat und weisse Blüten. Der Gaumen ist erstaunlich gut strukturiert, zeigt einen angenehmen Druck und eine gute Säure, die Gerbstoffe markieren ganz leicht, verleihen dem Wein Charakter. Im Abgang mit einer anregenden Würze, endet auf Limetten. Ein sehr gelungender Müller-Thurgau der zum besseren gehört, was diese Sorte hergibt. 2019-2022, 17 vvPunkte (87/100).

2017, Horn Kerner, AOC Aargau, Hauksson (Der 2017er Kerner wurde nach Beaujolais-Vorbild mittels Kohlensäuremaischung (Mazeration Carbonique) vinifiziert: Helles Gelb. Klare, reine Nase, grüner Apfel, exotische Früchte und ein Hauch Honig. Im Auftakt fleischig, zeigt Körper und einen gewissen Schmelz, die Frucht wirkt ungemein klar, lebendig, eine gute Säure stützt. Der Wein ist rein und sehr saftig, endet fruchtbetont und mit guter Länge. Ein sehr schöner Wein der jugendliche Unberührtheit ausstrahlt. 2019-2022, 17.5 vvPunkte (89/100).

Haben mir sehr gut gefallen, die Kerner von Hoss Hauksson (c) vvWine.ch

2018, Horn Kerner, AOC Aargau, Hauksson (Im Gegensatz zum 2017er wurde dieser Wein mit der Maische vergoren): Mittleres Gelb. Anfangs verhaltenes, noch leicht reduktives Bouquet, zeigt Tiefe, öffnet sich mit Luft mehr und mehr, offenbart noten von Kümmel, reifem Apfel und Waldhonig. Der Gaumen ist cremig, rund und zugänglich, sehe feine Textur, eher schlanker Körper, die Gerbstoffe markieren, verleihen eine solide Struktur, im Abgang endet der Wein mittellang auf eine feine Bitternote. Spannungsvoll, mit Reserven. 2019-2024, 17.5 vvPunkte (89/100).

2018, Rütiberg Riesling, AOC Aargau, Hauksson (Ein klassisch gekelterter Riesling): Helles Gelb, schöner Glanz. Klare, reine Nase nach Apfel, weissem Pfirsich, Aprikosen und Holunderblüten, gute Komplexität. Der Gaumen beginnt gradlinig, sehr fruchtbetont, die Säure ist verhältnismässig moderat, trägt die reife Frucht, verleiht Frische und einen gewissen Trinkfluss, stützt den Wein bis in den mittellangen Abgang. Endet auf eine markante Aprikosen-Aromatik. 2019-2024, 17 vvPunkte (87/100).

Atypisch in der Farbe (rosé) aber von sehr guter Qualität: der Im Lee Pinot Gris von Hoss Hauksson (c) vvWine.ch

2018, Rosato di Merlot, AOC Ticino, Hauksson (Dieser Rosé stammt von der oben erwähnten Steillage mit Granitböden in Gordemo oberhalb von Cordola): Leuchtendes Pink. Feineduftige Nase, etwas Erdbeere, deutlich kühler Stein, dazu eine dezent gemüsige Note. Im Gaumen fruchtbetont, frisch, reine Kirsch- und Johannisbeerfrucht getragen von einer guten Säurestruktur, charaktervoll, lebhaft und mit schöner Länge, endet auf Johannisbeeren. 2019-2022, 17 vvPunkte (86/100).

2018, Im Lee Pinot Gris, AOC Aargau, Hauksson (von der Lage im Lee in Döttingen, Maischegärung). Strahlendes Rosarot (eine für einen Pinot Gris völlig untypische Farbe). Intensiv duftende Nase, sehr fruchtig, viele Himbeeren, Walderdbeeren darüber auch Gräser. Im Gaumen wiederum fruhtbetont, zugänglich, rein und sehr frisch, die Säure ist lebhaft, stützt das Fruchtbündel, der Wein zeigt Energie und Charakter, endet erstaunlich langanhaltend. Eine möglicherweise etwas erklärungsbedürftige Wein-Kuriosität die mir persönlich aber richtig gut gefällt. 2019-2023, 17.5 vvPunkte (88/100).

Die Rotweine von Hoss Hauksson (c) vvWine.ch

2017, Sólskin, Garanoir & Pinot Noir, AOC Aargau, Hauksson (6 Monate Ausbau in gebrauchten Fässern): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Feinduftige, angenehm komplexe Nase, zeigt dunkle und rote Beeren, eine dezente Holznote, etwas Lakritze, dazu Kräuter auch rauchige Aromen. Der Gaumen ist zugänglich, weich, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, die saftige Säure stützt die Frucht, die Gerbstoffe sind moderat ausgeprägt, tragen ihren Teil zur Struktur bei, präzis, mit viel Trinkfluss und einer mittleren Länge im Abgang. Ein unkomplizierter aber nicht banaler Tischwein der sowohl zu gegrilltem Fisch oder hellem Fleisch eine gute Falle machen dürfte. Leicht gekühlt bei 15 Grad servieren. 2019-2024, 17.5 vvPunkte (89/100)

2017, St Johannser Pinot Noir Barrique, AOC Aargau, Hauksson (Dieser Wein wurde noch von Hoss‘ Vorgänger produziert, tanzt darum stilistisch etwas aus der Reihe): Kräftiges Rubin. Rauchige Nase, deutlich Kräuterspeck, die Barrique-Aromatik überlagert die fruchtigen Noten, wirkt etwas diffus, zeigt auch dezent oxidative Aromen. Im Auftakt fleischig und rund, die Frucht wirkt reif, mittlerer Körper, moderate Säure, die dezente Restsüsse ist gut verpackt, auch das Holz wirkt besser integriert als es die Nase vermuten lässt, es fehlt hier aber etwas an Zug, Schwung und Eleganz. Im Abgang kurz, endet auf eine deutliche Röstnote. Stilistisch nichts für mich, jedoch von guter Qualität. 2019-2023, 17 vvPunkte (85/100).

Unkompliziert aber nicht banal: Sólskin von Hoss Hauksson (c) vvWine.ch

2017, Rütiberg Pinot Noir, AOC Aargau, Hauksson (Ausgebaut in gebrauchten 300 Liter Fässern): Leuchtendes Rubin. Intensive Nase, expressive Frucht, reife Himbeeren, Granatapfel, dazu Gewürze, verspielt und angenehm komplex. Der Gaumen ist straff, mittlerer Körper, markante, leicht flockige Gerbstoff-Struktur, eine sehr gute Säure hält den Wein frisch, stützt diesen am mittleren Gaumen und trägt ihn in einen langen, feinwürzigen, rotfruchtigen Abgang mit einer Vanille-Note in der Retroaromatik. Ein druckvoller, strukturierter und ausgewogener Wein mit Charakter. 2019-2026, 18 vvPunkte (90/100).

Der Alpberg gehört zum Besten, was Pinot Noir im Aargau zu bieten hat (c) vvWine.ch

2017, Alpberg Pinot Noir, AOC Aargau, Hauksson (Ausgebaut in zu 60% neuen Holzfässern): Kräftiges Rubin. Intensive, noch vom Barrique geprägte Nase, zeigt einiges an Tiefe und Komplexität, viele dunkle Früchte, dazu kühler Rauch, Räucherspeck. Der Gaumen ist weich, rund und zugänglich, dann packt der Wein zu, mittlerer Körper, das Holz ist hier perfekt eingebunden, die Säure hält frisch, die Gerbstoffe sind fein gewoben, verleihen eine sehr gute Struktur, das hat Rasse, Charakter, zeigt trotz grossem Druck eine schöne Eleganz. Im Abgang sehr langanhaltend. Ein gelungener Pinot der von ein bis zwei Jahren Kellerreife noch profitieren dürfte. 2020-2028, 18+ vvPunkte (91+/100).

2017, Ciliegio Merlot, AOC Ticino, Hauksson (Ausgebaut im Barrique mit einem kleinen Anteil Kastanienholz-Fässern). Dichtes Rubin, sehr schöner Glanz. Feinwürzige, komplexe, tiefgründige Nase, zeigt Rauch, Tabak, Thymian, dazu diese kühlen, steinigen Düfte die mich an einen durch den Gewitter-Regen nass gewordenen Granittisch erinnern, welcher sogleich wieder von der heissen Sommersonne getrocknet wird. Im Gaumen dicht, sehr gut strukturiert, lebhaft, die Frucht ist knackig, konzentriert, ungemein saftig, mit Zug und Frische. Endet würzig und angenehm lang. Ein Wein der einerseits karg und kühl wirkt, andererseits von viel Sonne und Wärme zeugt. Sehr gelungen, bravo! 2019-2028, 18.5 vvPunkte (92/100).

Gefällt stilistisch und optisch: die Weinpalette von Hoss Hauksson (c) vvWine.ch

Eines ist klar: Hoss Hauksson ist ein Winzer, dessen Weine ich über die nächsten Jahre verfolgen werde. Seine Tropfen sind direkt bei Hauksson Wine erhältlich.

2 Kommentare
  1. Hoss
    Hoss says:

    Lieber Adrian,

    Vielen Dank für diesen Bericht. Es hat mich sehr gefreut dich kennenzulernen. Deine Worte geben mir Motivation auf den Weg – vielen Dank 🙂

    Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] berichtete vor ziemlich genau einem Jahr über Hoss Hauksson, der seit einigen Jahren statt strukturierten Produkten, strukturierte Weine produziert. Gestern verkostete ich – in Begleitung von Hoss Hausksson’s Kommentaren im […]

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