Kunterbunt und gut gelaunt.
Im kleinen vvWine-Kreis traffen wir uns gestern bei Marcio zu Hause. Ergänzt wurde unsere Dreierrunde durch eine bessere Hälfte, einen Onkel und unseren guten Weinfreund David. Jeder von uns brachte mindestens zwei Flaschen mit, die dann mit einem kleinen Probeschluck von allen anderen blind verkostet wurden. Nach jeder Flasche wurde sofort aufgelöst und nach der Blind-Degustation genossen wir die Flaschen während dem ganzen Abend.
Den Auftakt machte eine hervorragende Champagner-Microcuvée auf Basis Pinot Meunier von der Domaine Novak. Von der Cru d’Origine Châtillon-sur-Marne Extra Brut werden nur 411 Flaschen produziert und entsprechend schwierig ist es, eine solche Flasche aufzutreiben; danke Simon für diese Flasche. Der Wein entwickelte sich im Zalto Bordeaux-Glas wunderbar, zeigte sehr viel Charakter, Spannung und eine ausgesprochen gute Länge im Abgang. 18.5 vvPunkte (93/100).
Weiter ging es mit einem von mir servierten 2010er Chablis Grand Cru Valmur von Raveneau. Einmal mehr bewies diese Flasche die grosse Klasse dieses Weinguts. In der Nase herrlich komplex, mit Kamille, Lindenblüten, Honig, Zitrusfrüchten, unterlegt von viel Mineralität, eine Schnüffeldroge. Der Gaumen top strukturiert, messerscharf und klar, trotz aromatischer Fülle federleicht, ein Masterpiece in Sachen Eleganz. Der Abgang ist salzig und von ausgezeichneter Länge. 19.5 vvPunkte (97/100). Jetzt bis 2028 geniessen. Die Mehrheit der Runde hat diesen Wein richtigerweise dem Chablis zugeordnet.
Mein 2003er Coulée de Serrant von Nicolas Joly machte dann schon etwas mehr Schwierigkeiten. Zwar tippte Marcio spontan auf Chenin Blanc aus der Region Savennières und wäre damit goldrichtig gelegen, hätte er den Wein nicht im Laufe der Blindverkostung erst in den Jura und schliesslich ins Elsass verbannt. Der oxidative Ausbau mit einem extrem komplexen, wenn auch sehr gewöhnungsbedürftigen Duftbild stiess nicht bei allen auf Gegenliebe. Das ist definitiv nichts für Weineinsteiger, doch faszinierte mich persönlich die Eigenständigkeit dieses Weines sehr und ich werde die weitere Entwicklung heute und morgen noch beobachten.
Richtig erraten habe ich den 2009er Echezeaux von der Mugneret-Gibourg. Der Wein ist trotz seiner Jugendlichkeit bereits angenehm zu trinken. Er zeigte in der Nase eine hervorragende Frucht, Himbeeren, rote und schwarze Kirschen, Johannisbeeren, Blutorangen, Kräuter, Rauch und Zimt, hervorragende Komplexität. Am Gaumen sehr saftig, frisch und knackig, dicht aber nicht schwer, sehr gut strukturiert und mit Gerbstoffen so fein wie ein Babypopo. Das warme Jahr macht sich mit einem cremigen Schmelz bemerkbar, dennoch ist der Wein hervorragend proportioniert. Einzig der Abgang hätte noch etwas länger sein können, dennoch, für mich 19 vvPunkte (96/100). Jetzt bis 2035.
Ein 2013er Sassicaia von David hat dann ganz schön für Verwirrung gesorgt. Die Diskussion in der Runde drehte sich um Margaux, St-Julien und Pessac-Léognan. Das es sich hierbei um einen Bordeaux-Piraten handeln könnte, hat keiner vermutet. Rotfruchtige Aromatik, sehr kühl anmutend, ein Hauch grüne Paprika, Thymian-Kräuter, auch etwas laktische Noten. Der Gaumen sehr elegant, feinste Gerbstoffe, wunderbar integrierte Säure, die rotfruchtigen Aromen zeigten sich auch hier, das Ganze gepudert von etwas Vanillezucker. Im Abgang lang und ausgewogen. Ein sehr gelungener Wein und der perfekte Kandidat für einen Bordeaux-Piraten. 18.5 vvPunkte (93/100). Jetzt bis 2030.
Ebenfalls auf Reisen (von der Nord-Rhone über Südfrankreich ins Priorat und dann in die Toskana) ging meine 2007er Réserve des Célestins von Henri Bonneau. Der Wein war mächtig mit einer fast erschlagenden Aromatik, ungemein komplex und über den Abend verteilt eine aromatische Achterbahn. Thymian, Zwetschgen, Rauch, Orange, Weihnachtsgewürze, Speck, Leder. Der Gaumen voluminös aber trotz 15% Alkohol nicht brandig, Massen an Gerbstoffen, sensationelle Säure, ungemein dicht und konzentriert, dabei aber hochelegant und mit einem nicht enden wollenden Abgang. 19 vvPunkte (96/100). Jetzt schon ein Genuss doch für mindestens 20 Jahre gebaut.
Fast richtig (ich tippte auf Grange mit Jahrgang 2000) erkannte ich Marcio’s 1998er Penfolds Grange. Enorm komplexe Nase, Eukalyptus, Rauch, dunkle Kirschen, Heidelbeer-Likör, Magenbrot, Pfeffer, Teer, Torf und Kokos. Der Gaumen ungemein dicht und konzentriert, feinste Tannine, enorme Struktur, ein Wein-Monument das für eine gefühlte Ewigkeit gebaut ist. Ich hatte davon nach einem Glas genug, stilistisch definitiv nicht auf meiner Linie. Dennoch, ein Erlebnis. 19.5 vvPunkte (97/100).
Ebenfalls fast richtig erkannte ich Simon’s Haut-Brion 1988. Ich tippte auf den 1989er Haut-Brion und lag somit nur ein Jahr daneben. Noch nie hatte ich einen so schönen 88er im Glas. Der Wein zeigt deutlich mehr Fleisch am (Tannin-)Knochen als andere 88er, präsentiert in der Nase ein Wunderbares Duftbild aus Tabak, Kaffee, Kräutern, Cassis, Schwarztee und geraspeltem Süssholz. Im Gaumen auf den Punkt gereift, weitgehend abgeschmolzene Tannine, stützende Säure, mit Schmelz, Druck und einer wunderbaren Länge. So schön kann Bordeaux sein. 19 vvPunkte (95/100). Jetzt bis 2025 geniessen.
Nachdem die Gruppe bei Bonneau schon mal an der Nordrhone war konnte ich es nicht unterlassen meine Backup-Flasche aufzuziehen. Der 1999er Hermitage La Chapelle von Jaboulet hatte nicht ganz das Format der anderen Weine, zeigte sich aber in seinem idealen Trinkfenster. Elegant, saftig und frisch mit den typischen Noten von weissem Pfeffer, Leder, vielen roten Früchten und etwas Rauch. Die Gerbstoffe sind abgeschmolzen, eine knackige Säure stützt die Frucht. Im Abgang mit einer guten aber nicht grossen Länge. Dieser Wein besticht durch seine Harmonie und dürfte sich nochmals 5-10 Jahre auf diesem Niveau halten. 18 vvPunkte (91/100). Jetzt bis 2025 geniessen.
Den süssen Vor-Abschluss machte die 2006er Auslese Ungsberg vom Weingut O von der Mosel. Ist nach dem Öffnen sofort da und zeigte in der Nase Noten von reifen Aprikosen, exotischen Früchten, Honig und Gewürzen. Am Gaumen mit feinem Schmelz, lebendiger Säure, viel Frische und trotz der Süsse einer angenehmen Leichtigkeit. Keine besonders komplexe und tiefgründige Auslese, dafür mit sehr guter Balance und tollem Süss-Säure-Spiel. Ein perfekter Begleiter zum Käse!
Das trockene Finale machte dann eine Cuvée 739 von Jacquesson, die einmal mehr bewies, dass dieses Weingut schon in der Basis-Klasse einen hervorragenden Champagner produziert. Wer diese Cuvée nicht kennt sollte sich unbedingt nach einer Flasche umsehen, denn viel mehr Champagner gibt’s nicht fürs Geld.
Danke an Marcio und Veronika für die grossartige Bewirtung. Wir haben viel geraten, geirrt und gelacht.
Eine wunderschöne Wein-Serie habt ihr da genossen, Chapeau! Was hat euch dazu bewogen, den Haut-Brion nach dem Bonneau und nach dem Grange zu verkosten? Gruss, Rainer
Hallo Rainer, die Weine wurden, wie geschrieben, blind serviert und somit konnten wir auch keine „sinnvolle“ Reihenfolge definieren. Verkostet wurde in dieser Reihenfolge nur ein Mini-Schluck (zum testen, wer die Weine, Lagen etc. findet…) Natürlich haben wir nach dem Aufdecken dann die „Trinkreihenfolge“ geändert. Sprich: die kräftigen Tropfen folgten nach den leichteren Weinen.