Warum in die Ferne schweifen… Weingut Mühlebach, Tegerfelden.
Heute Morgen machte ich – quasi auf der Durchfahrt – ganz spontan einen Besuch beim Weingut Mühlebach in Tegerfelden. Tegerfelden ist kein unbekanntes Weindorf und es gehört mit seinen kalkigen Böden zu den besten Weinlagen im Aargau.
Das Weingut Mühlebach ist ein Familienbetrieb. Die Familie ist quasi auf dem Quereinsteiger-Weg zum Weinbau gekommen; Stefan Mühlebach erbte Land, teils mit Reben bestockt, teils ohne, je rund 25 Aren von seinem Vater respektive Onkel. Mit und auf diesem Land wurde experimentiert, dazugekauft, über Jahre, bis sich das Gut zur heutigen Grösse von rund sieben Hektaren ausgedehnt hat. Die Mühlebachs verfügen über beneidenswert schöne, kalkhaltige Wein-Lagen, welche sich ideal für den Anbau der Burgunder-Sorten eignen.
Stefan und Agathe Mühlebach empfingen mich, obwohl ich völlig unangemeldet aufkreuzte, sehr freundlich. Agathe führte mich in den Verkaufsraum und öffnete ohne zögern vier Flaschen ihrer Weine, welche nicht in Selbstkelterung sondern bei Rutishauser in Scherzingen vinifiziert werden.
Ich verkostete in aller Ruhe zwei Rot- und zwei Weissweine.
2013, Weingut Mühlebach, Müller-Thurgau Neuberg, Aargau: Helles Goldgelb, schöner Glanz. Sehr offene, sortentypische, fruchtige Nase, Grapefruit, Zitrusfrüchte, Gräser, feine Muskatwürze, gute Komplexität. Am Gaumen kräftiger, fruchtbetonter Auftakt, wieder Zitrusaromen, rosa Grapefruit, sehr schöne Säure, im Abgang eine dezente Bitternote. Gute Komplexität und äusserst ausgewogen und stimmig, ein klassischer Müller-Thurgau, 17 vvPunkte, (87/100) – ein Müller-Thurgau der ganz schönen Sorte: wäre die Bewertungs-Skala relativ je nach Rebsorte würden wir diesem Wein 18.5/20 (also quasi „93 R-S“-Punkte geben).
2013, Weingut Mühlebach, Sauvignon Blanc, Aargau: Mittleres Goldgelb, strohfarbene Reflexe. Wiederum sehr saubere, sortentypische Nase, erinnert an einen Sauvignon Blanc aus Neuseeland, modern, duftig, Massen an exotischen Früchten, Lychee, Passionsfrucht, frisch geschnittene Gräser, sehr gute Komplexität. Am Gaumen unglaublich kräftig im Auftakt, sehr saftig, wieder exotische Früchte dazu Zitrusnoten, stilistisch sehr modern gehalten, dürfte vielen Menschen gefallen, sehr feine Würze und einiges an Schmelz, die Säure genau richtig dosiert, gute Komplexität und angenehme Länge im Abgang. Gefällt ausgezeichnet, ein Must für New-World Sauvignon Blanc-Liebhaber und zudem ein idealer Sommerwein. 17.5 vvPunkte, (89/100). Stilistisch gefällt uns der Müller-Thurgau zwar besser doch dieser Sauvignon Blanc muss sich auch vor deutlich teureren Gewächsen aus „New World“ nicht verstecken.
2014, Weingut Mühlebach, Pinot Noir Oberberg, Aargau: Strahlendes Rubin, schöner Glanz. Die Nase erst etwas verhalten, mit der Luft öffnet sich der Wein, dezent Gletscherzältli (kalte Vergärung?), saubere, eher rotbeerige Frucht, dezente Würzigkeit, gute Komplexität. Am Gaumen saftiger Auftakt, viele rote Beeren, ja Massen an Johannisbeeren, dazu eine feine Würze, die Säure ist sehr präsent, macht den Wein lebhaft und trinkanimierend, gute Komplexität. Kurz aber stimmig im Abgang. Ein Pinot für alle Tage, darf leicht gekühlt serviert werden und passt zu fast allem; auch als Apéro-Wein einsetzbar. Überdurchschnittlich guter Alltagswein und mit 14 Franken sehr fair kalkuliert. 16.5 vvPunkte, (84/100)
2012, Weingut Mühlebach, Pinot Noir Barrique, Aargau: Mittleres Rubin, noch jugendlicher Glanz, anfangs speckig-rauchige Nase, mit etwas mehr Luft sehr schöne Frucht, da sind dunkle Beeren, auch Blutorangen, dazu die dezente Specknote, eine gute Würze und – Vermicelles (!). Sehr gute Komplexität und eine spannende Eigenständigkeit. Am Gaumen saftiger Auftakt, neben dunklen Beeren auch rote Johannisbeere, sowie Weichselkirsche, die Säure ist sehr präsent, stützt die Frucht, die Gerbstoffe mässig ausgeprägt, eine feine Bitternote ist zu erkennen, gute Komplexität und das wirklich Erfreuliche: der Wein ist nicht vom Holz überlagert. Im Abgang von mittlerer Länge, endet auf Blutorange. Ein überdurchschnittlich guter Pinot mit einer grossen Saftigkeit dank seiner frischen, knackigen Säure. 17.5 vvPunkte, (89/100).
Das Weingut Mühlebach produziert neben Wein auch eine ganze Reihe Destillate. Ich verkostete lediglich den Weinbrand und dies ohne Notizen auf dem Weingut. Doch dieses Produkt lässt erahnen, was für sehr gute Qualitäten hier gebrannt werden…
Daher gönnten wir uns eine Flasche dieses Weinbrands und verkosteten diesen zu Hause nach:
Bernsteinfarben, mittlere Dichte. Die Nase präzis, fruchtig, sehr intensiv aber ganz und gar nicht spritig sondern mit einer sehr gute Komplexität: da sind Aromen von Baumnuss, Mandeln, Marzipan, eingemachten Aprikosen dazu Vanille und süsser Tabak. Am Gaumen fruchtiger Auftakt, keine Spur von Alkoholüberhang sondern äusserst vielschichtig, komplex mit Noten von dunkler Schokolade sowie reifen Zartbitter-Orangen. Sehr ausgewogen, weniger herb als französische Cognacs, auf den ersten Blick durch die unglaublich schöne Frucht fast süsslich wirkend doch vollkommen trocken und äusserst präzis destilliert. Ein Klasse-Weinbrand der ab sofort zu unseren „Haus-Bränden“ gehören wird! 18.5 vvPunkte (92/100)
Das Weingut Mühlebach in Tegerfelden fliegt vielleicht etwas unter dem gängigen Radar. Es mag etwas weniger bekannt sein als andere Weingüter. Es mag was die Pinot’s angeht vielleicht auch noch Potenzial nach Oben haben (die kalkhaltigen Böden würden in meinen Augen das eine oder andere Experiment mit Burgunder-Klonen erlauben, denn die Mineralität der Pinot’s ist noch etwas verhalten…). Die beiden verkosteten Weissweine überzeugen voll und ganz und die erste Nase in einem der Destillate macht Lust darauf, das Weingut bei einem zweiten Besuch näher zu erkunden.
Danke an Stefan und Agathe Mühlebach für den spontanen Einblick in ihr Schaffen.
PS: manch einer mag sich über das grauenvoll hässliche Glas auf dem drittletzten Bild wundern. Nein, einen Schönheitspreis gewinnt dieses wahrlich nicht doch eignet es sich hervorragend zur „technischen Degustation“. Die kuriose Ausbuchtung belüftet den Wein zusätzlich und hilft, teils verstecke Aromen besser wahrzunehmen. Erhältlich ist das MERAVIGLIA WINE-GLASS bei Enosis in Cuccaro Monferrato.
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