Vinifera-Mundi bedankt sich – Teil III
Am 20. Februar lud Jean-Francois Guyard bereits zum dritten Mal zum damit schon fast traditionellen „Vinifera-Mundi bedankt sich“ Abend. Vier Autoren sowie Freunde und Bekannte trafen sich mit einem gemeinsamen Ziel: Freude an und Austausch über Wein.
Der Abend war in sechs „offizielle“ Verkostungs-Serien mit jeweils drei Weinen aufgeteilt: eine Serie Weissweine und fünf Serien Rotweine. Die einzelnen Serien widmeten sich einem Thema, alle Weine wurden blind verkostet und bewertet.
Als Einstiegswein vor den offiziellen Serien floss quasi zum Aufwärmen ein Meursault Perrières 2007 von Pierre Morey ins Glas. Der Wein präsentierte sich in mittlerem Goldgelb und noch mit schönem Glanz (3/3). Die Nase noch jugendlich frisch mit sehr schönem Chardonnay-Duft, vorzüglich integriertem Holz und einer sehr Burgund-typischen Mineralik (5.5/6). Am Gaumen ungemein frisch und mit knackiger Säure, die Frucht ist saftig, das Holz kaum spürbar (8/9). Ein hervorragender Meursault, zurzeit im besten Trink-Zeitfenster (2/2). Von mir 18.5 vvPunkte (92/100). 2014 bis 2020 geniessen.
Dann die erste Serie Weisswein. Im Glas, das wurde rasch erkannt, drei gereifte Vertreter aus dem Burgund.
Weisswein 1: Meursault Blagny Les Ravelles 1998, Michel Bouzereau & Fils.
Dunkles Goldgelb (3/3). Die Nase wirkt reif, Noten von Honig, weissen Blüten, reifer Apfel, mit etwas Luft auch Studentenfutter, Aprikose, Düfte, die an Sauternes erinnern (5/6). Am Gaumen weicher Auftakt, schöne Reife, saftig, wieder Aprikosennoten, angenehm tief und mit einer guten Länge im Abgang (8/9). 1.5 Punkte im Gesamteindruck. Von mir 17.5 vvPunkte (88/100). Jetzt geniessen.
Mittleres Goldgelb (3/3). Erst verhalten in der Nase, mit etwas Belüftung schöne Mineralik und mehr und mehr würzige und nussige Noten (5/6). Am Gaumen kräftiger Auftakt, sehr vollmundig, gute Meursault-Typizität, das Holz gut eingebunden und eine gut eingebundene Säure (8/9). Vielleicht nicht der komplexeste Wein, aber als Gesamtkomposition ein sehr stimmigster Tropfen (2/2). Von mir 18 vvPunkte (90/100). Jetzt geniessen.
Weisswein 3: Chassagne-Montrachet 1er Cru „La Romanée“ 2000, Domaine Fontaine-Gagnard.
Mittleres Goldgelb (3/3). Die Nase sehr reif, für mich „over the Hill“ und zu oxidativ, obwohl einiges an Tiefe zu erkennen ist (4.5/6). Am Gaumen dann die Überraschung: der Wein wirkt frisch, knackig ja fast jugendlich, hervorragende Frucht, sehr gut eingebundene Säure und mit grossartiger Länge im Abgang (8.5/9). Weil hier Nase und Gaumen nicht zusammenpassen „nur“ 1.5 Punkte für den Gesamteindruck. Gut möglich, dass sich dieser Wein noch positiv entwickeln kann. 18 vvPunkte (90/100). 2014 bis 2018 geniessen.
Weiter ging es mit der ersten Serie Rotwein. Am Start: drei Merlot-Vertreter aus unterschiedlichen Ländern.
Mittleres Bordeauxrot (3/3). Schöne Duftigkeit, intensiv, wirkt aber auch warm, südlich (5/6). Im Auftakt sehr reife Frucht, auch leicht kompottartig, einiges an Fruchtsüsse, dazu auch sehr gutes Tanningerüst und würzige Komponenten, die Aromatik entwickelt sich im Laufe der Zeit positiv, ein tiefer Wein (8+/9). Der Abgang rund und angenehm lang. 2 Punkte für einen sehr stimmigen Gesamteindruck. 18+ vvPunkte (91/100). 2014 bis 2026.
Reifes Bordeauxrot (3/3). Erst verhaltene, später angenehm würzige Nase mit Düften von Pflaumen, Belüftung tut hier gut (5/8). Im Gaumen weich, dann auch viel Frische, rotbeerige Frucht, nasser Stein, knackige Säure, mit zunehmender Wärme auch spürbar Alkohol (8/9). Im Abgang mit sehr guter Länge und bestechender Eleganz. Der Wein muss sich vor Pavie nicht verstecken. Sehr gute Gesamtkomposition (2/2). Von mir 18 vvPunkte (90/100). 2014 bis 2020.
Tiefdunkles Bordeauxrot, wirkt noch jugendlich (3/3). Sehr tiefe, kräftige Nase mit grosser Komplexität, da ist dunkle Beerenfrucht, da hat es viel Würze, die Nase verändert sich ständig (5/5). Am Gaumen reif, warm, vollmundig, sehr kräftig, der pure Gegensatz zum Sassi Grossi, hier hat es mehr Struktur und Muskeln als Eleganz, doch die Gesamtkomposition stimmt auch hier (8.5/9). Stilistisch nicht auf meiner Linie aber definitiv ein sehr, sehr guter Wein (2/2). Von mir 18.5 vvPunkte (92/100). 2014 bis 2026+.
Die zweite Serie Rotwein widmete sich dem Thema Italien. Zwei Mal Nebbiolo aus unterschiedlichen Regionen, einmal Sangiovese.
Rotwein 4: Barolo Cerequio 1996, MicheleChiarlo.
Mittleres Rubin, Reifetöne (3/3). Die Nase sehr blumig, sehr Nebbiolo, einiges an Veilchen, auch Nüsse, feuchtes Unterholz (5/6). Der Gaumen straff, sehr elegant, feingliedrig, rotbeerig, noch mit deutlichen Gerbstoffen und Säure ausgestattet, noch nicht 100% eingebunden, alles sehr frisch und mit dieser Prise „bäuerlicher Noblesse“, wie ich sie bei den Nebbiolo-Weinen aus dem Piemont so mag (8.5/9). Der Abgang von mittlerer Länge, sehr ausgewogen, volle 2 Punkte für den Gesamteindruck. 18.5 vvPunkte (92/100). 2014 bis 2026.
Bordeauxrot, keine Alterserscheinungen (3/3). Die Nase offen, warm, duftig mit mittlerer Komplexität (5/8). Süsslicher Auftakt, sehr weich und geschmeidig, der pure Gegensatz zum Barolo, obwohl aus der gleichen Traube gekeltert, doch die Produktionsmethode mit angetrockneten Trauben verleiht diesem Wein eine deutliche Süsse. Mit mehr Luft kommen etwas irritierende käsig-laktischen Noten sowie Aromen von Gletscher-Bonbons dazu, der hohe Alkohol – 15% – ist spürbar (8/9). Mittellanger Abgang, in sich stimmig (1.5/2). 17.5 vvPunkte (88/100). 2014 bis 2018 bei nicht zu hoher Temperatur geniessen.
Dunkles Bordeauxrot (3/3). Wow, was für eine Nase, tief, komplex dunkle und rote Beerenfrucht, Rauch (5/6). Saftig, frischer Gaumenauftakt, wieder ein ganzer Korb von Beeren, deutliche Gerbstoffe und sehr gute Säure, schöne Komplexität und deutliche Reserven (8.5/9). Langer, ausgewogener Abgang. Ein sehr guter Wein (2/2). 18.5 vvPunkte (92/100). 2014 bis 2025.
Vor allem der Barolo polarisierte stark. Während er mir sehr gut gefiel hatten einige der Verkoster Mühe, dem Wein was abzugewinnen. So war die dritte Serie Rotwein zum Thema Bordeaux 1995 eine willkommene Auflockerung für die etwas Gerbstoff-ausgetrockneten Gaumen. Auch diese Weine wurden Blind serviert und erst nach der Verkostung aufgedeckt.
Rotwein 7: Ch. Batailley 1995, Pauillac.
Dunkles Bordeaux (3/3). Sehr schöne, typische Bordeaux-Nase mit deutlicher Cabernet-Würze und etwas Unterholz (5/6). Am Gaumen saftig, frisch, elegant, eher auf der rotbeerigen Seite, mit schöner Reife und gut eingebundenen Gerbstoffen (8.5/9). Ausgewogener, mittellanger Abgang und 2 Punkte für den stimmigen Gesamteindruck. 18.5 vvPunkte (92/100). 2014 bis 2024.
Rotwein 8: Ch. Clerc Milon 1995, Pauillac.
Wieder dunkles Bordeauxrot (3/3). Die Nase mit viel Zartbitterschokolade, auch Schwarzteenoten, duftig, würzig, ein richtiger, jugendlich wirkender Schnüffelwein, gefällt mir ausserordentlich gut. Ich tippte auf einen Pessac-Léognan Wein und lag damit voll falsch (5.5/6). Der Gaumen weich, sehr ausgewogen mit mittlerer Komplexität, reifen, abgeschmolzenen Gerbstoffen, mit zunehmender Wärme verliert der Wein etwas an Ausgewogenheit (8/9). Mittellanger Abgang und volle 2 Punkte einen sehr stimmigen Gesamteindruck. 18.5 vvPunkte (92/100). 2014 bis 2022.
Rotwein 9: Ch. Pichon-Longueville Baron 1995, Pauillac.
Dunkles Bordeauxrot (3/3). Erst verhaltene Nase, anfangs mit etwas stechendem Alkohol, mit Zeit und Luft dann sehr nobel, tief, eher rotbeerig und mit beeindruckender Komplexität (5.5/6). Der Wein wirkt saftig, noch jugendlich frisch mit schöner Frucht und merklich Gerbstoff – ich tippte auf einen deutlich jüngeren Wein so um 2001/2002… (8.5/9). Langer, ausgewogener Abgang (2/2). 19 vvPunkte (94/100). 2014 bis 2026+; hier ist keine Eile angesagt.
Vor der nächsten Serie offerierte Jean-Francois einen Piraten. Inspiriert von einem Facebook-Post vor einigen Tagen tippe ich auf Ch. Peby-Faugères 1998 und es war Ch. Peby-Faugères 1998, St. Emilion. Tiefdunkle Farbe (3/3). Die Nase beeindruckend, sehr tief und komplex mit dunkler Beerenfrucht, Gewürzen, Rauch und auch Speck (5.5/6). Der Gaumen sensationell strukturiert, vollmundig, konzentriert mit viel Frucht, auch deutlichen Barrique-Tönen, wieder würzigen Noten und endlosem Schmelz (8.5/9). Zweifelsohne ein grosser Wein, um nicht zu sagen ein Wein-Monument. Stilistisch nicht mein Favorit, aber qualitativ sicherlich einer der besten, wenn nicht sogar der beste Wein des Abends. 19.5 vvPunkte (97). 2014 bis 2030.
Als vierte Serie war ein Ausflug nach Spanien auf dem Programm.
Tiefdunkle Farbe (3/3). Die Nase blumig mit Noten von Lilien, sehr Tempranillo, erinnert mich an Rioja, doch einmal mehr danebengetippt (5/6). Am Gaumen gehaltvoll, weich, reif mit perfekt eingebundenen Gerbstoffen und einer erstaunlichen Säure, die dem Weine eine gute Frische verleiht (8/9). Sehr gute Länge im Abgang und volle 2 Punkte für einen eleganten, stimmigen Gesamteindruck. 18 vvPunkte (91/100). 2014 bis 2020.
Wieder sehr dunkle Farbe (3/3). Die Nase fruchtbetont, modern, ich tippe sofort auf Ribera del Duero, da sind viele blaue Beeren, auch Vanillenoten, sehr schön (5/6). Am Gaumen dann etwas gar voll und fruchtbetont, bestätigt den modernen Eindruck der Nase, sicherlich sehr gut gemacht, aber mit etwas wenig Seele (8/9). Gute Länge im Abgang, aber „nur“ 1.5 Punkte für einen etwas austauschbaren Charakter. 17.5 vvPunkte (88/100). 2014 bis 2020.
Sehr dunkle, jugendliche Farbe (3/3). Die Nase so, wie ich Spanien nicht mag, Gummibärchen, fruchtig, wirkt plump und billig, natürlich sehr sauber und poliert, aber so etwas von nicht spannend (4.5/6). Am Gaumen konsistent langweilig, schöne, süsse Frucht, perfekt eingebundene Gerbstoffe, weich und ohne Ecken und Kanten, brav (7.5/9). Auch im Abgang Frucht und Langeweile pur. 1 Punkt für einen absolut durchschnittlichen Gesamteindruck und somit 15.5 vvPunkte (80/100). Ein Wein, der auf jeder Grillparty einen guten Eindruck machen wird, aber so ein Spanien-Erlebnis gibt es auch zu einem Drittel des Preises. Jetzt bis 2018.
Dunkle, noch jugendliche Farbe (3/3). Die Nase mit Weihnachtsgebäck, dunklen Beeren, etwas gar eindimensional, aber sehr sauber (4.5/6). Der Gaumen poliert, samtig, mit schön eingebundenen Gerbstoffen und angenehmer Frische, perfekt vinifiziert, nicht ohne Charme und mit guter Länge im Abgang (8/9). Perfekter Gastronomie-Wein mit Niveau 2 Punkte für den Gesamteindruck und somit 17.5 vvPunkte (88/100). Jetzt bis 2020 geniessen.
Die letzte Serie Rotwein dann zum Thema Südamerika. Im Glas drei Malbec aus Argentinien.
Tiefdunkle Farbe (3/3). In der Nase nobel, würzig, erinnert an Bordeaux, schöne Komplexität (5/6). Am Gaumen sehr gehaltvoll mit viel Frucht, ungemein weich, dunkelbeerig, auch Würznoten (8/9). Ausgewogen im Abgang und 2 ganze Punkte für die Stimmigkeit. 18 vvPunkte (90/100). 2014 bis 2020.
Tiefdunkel (3/3). Vegatile Aromen, tomatig, reif, verändert sich im Glas laufend, wird komplexer (5/6). Der Gaumen sehr gut mit viel Fleisch und Struktur, die Gerbstoffe hervorragend eingebunden, Massen an Frucht, beeindruckend, mächtig, kräftig (8.5/9). Stilistisch ganz und gar nicht mein Ding da zu fett, zu breit (1.5/2) und somit 18 vvPunkte (90/100). 2014 bis 2024.
Dunkel, im Kern fast Schwarz (3/3). Tiefe, rauchige, noble und komplexe Nase, das ist grosses Kino (5.5/6). Der Gaumen saftig im Auftakt, sehr kraftvoll, Massen an dunkler Frucht und enorme Konzentration, aber nicht plump, sondern einfach von allem sehr, sehr viel (8.5/9). Natürlich, stilistisch wieder ganz am anderen Ende meiner Welt, aber an sich bei höchster Konzentration sehr balanciert (2/2). Ich kann davon nicht mal ein halbes Glas trinken, aber zweifelsohne ein grosser Wein an dem so mancher New-World-Trinker seine Freude haben wird. 18.5 vvPunkte (93/100. 2014 bis 2026.
Zum Abschluss des Abends, offen serviert, ein Glas Rieussec 1997, Sauternes. Das war mein erster Sauternes, den ich seinerzeit subskribiert habe. Er hat sich wunderbar entwickelt. Dunkles Bernstein (3/3), in der Nase frisch mit viel Aprikose, Nüsse, Mandeln und Honig (5.5/6). Der Gaumen weich mit frischer Säure, ganz und gar nicht klebrig, sondern wundervoll ausgewogenes Säure-Süsse-Spiel und mit sehr guter Länge im Abgang (8.5/9). Ein Vorzeige-Sauterne, sehr balanciert und aktuell perfekt zu trinken (2/2). Von mir 19 vvPunkte (94/100) – 2014 bis 2030 geniessen.
Es bleibt abschliessend zu sagen: Danke Vinifera-Mundi für einen gelungenen Abend mit spannenden, niveauvollen Weinen jeglicher Couleur.
Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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