Hochgenuss mit gemischten Gefühlen

Nach einem euphorischen Artikel in der NZZ am Sonntag vor ein paar Wochen besuchten wir gestern das Restaurant Schäffi in Uznach. Unsere Erwartungshaltung war entsprechend hoch und wurde leider nur teilweise erfüllt, denn das gastronomische Konzept hat bei uns einen etwas zwiespältigen Eindruck hinterlassen.

Zuerst das Positive: das Lokal liegt in einem alten Haus mit einem keckem roten Turm mitten im Herzen von Uznach, direkt an der Hauptverkehrsachse in Richtung Gommiswald / Ricken. Das Ambiente ist rustikal mit viel Holz und noch mehr Charme. Man setzt sich an schöne Holztische, schlicht gedeckt und fühlt sich sogleich wohl.

Im Schäfli gibt es weder eine Menu- noch eine Weinkarte. Das Überraschungs-Menu des Tages wir auf einem Teller präsentiert: man wählt zwischen vier und zehn Gängen (4 Gänge kosten Fr. 59.–, 10 Gänge ca. Fr. 119.–) und meldet Allergien und andere Intoleranzen gegen Vegis, Fleisch, Fisch und sonstige Inhaltsstoffe. Wir wählten 5 Gänge mit Innereien-Intoleranz und freuten uns auf das Überraschungs-Menu.

Ein paar regionale Weine – die meisten davon vom Melser Rathauskeller – stehen im Holzregal und werden von den Gästen bestellt. Wer sich nicht mit Riesling x Sylvaner oder Pinot aus dem St. Gallischen anfreunden will, kann zwischen ein paar Bio-Weinen aus Österreich und Südfrankreich wählen. Wir wählten gleich am Anfang die lokale Lösung (1x Riesling x Sylvaner und je ein Pinot ohne resp. mit Barrique-Ausbau vom Melser Rathauskeller) und waren hellauf begeistert von einem zarten, feinduftigen und äusserst spritzigen RxS sowie zwei sehr gelungenen Pinots die nicht mehr wollen, als einfach zu gefallen.

Das Überraschungs-Menu bestand aus folgenden Gängen: als Amuse Bouche etwas Schweizer Blauschimmelkäse mit Himbeer-Confi, dann 1. Gang, frische Schnittlauchsuppe sowie Ochsenschwanz-Suppe (ein Highlight), 2. Gang, ein knackiger Blattsalat mit Kräuterdressing und Brennesselchips, 3. Zürisee-Felchen von der Fischerei Wespe  mit Schinken, Speck und Rhabarber (toll, wie die Rhabarber-Säure den Fisch unterstützte), 4. Rindsschmorfleisch mit Karotten und Spätzli (so quasi eine schweizerische Variante eines Boeuf Bourguignon) und zum Abschluss eine Käseplatte wie ich sie sonst nur aus Sternchen-Beizen in Frankreich kenne (wunderschön, was die Schweiz an Käse alles zu bieten hat). Das Menu perfekt portioniert, man hat danach nicht zu viel und nicht zu wenig gegessen sondern fühlt sich einfach nur wohl. Ein grosses Kompliment in die Küche!

Das wunderbare Sonntags-Menu hat aber leider auch gemischte Gefühle hinterlassen, denn ein paar Punkte störten das an sich stimmige Gesamtkonzept.

1. kein Empfang. Wir irrten etwas unbeholfen durch die Restaurant-Gänge bis wir endlich entdeckt und an unseren Platz begleitet worden sind.

2. Das Leitungs-Wasser wird mit Fr. 4.– (5dl) resp. Fr. 7.50 (1 Liter) verrechnet. Als Restaurant-Kunde der mit vier Personen am Tisch gleich zu Beginn des Essens drei Flaschen Wein ordert erwarte ich das Wasser als kostenlose Zugabe. Etwas schnippisch wurden wir aber informiert, dass alle Kunden diesbezüglich gleich behandelt werden. Nun: wenn ein Tisch nur Leitungswasser (ohne Wein) bestellt, macht das Verrechnen des Wassers ja Sinn. Aber im Kontext von – wie in unserem Fall gestern – vier konsumierten Flaschen Wein finde ich das Verrechnen des Wassers einfach nur befremdend (man könnte ja auf dem Klo sonst noch ein Kässeli hinstellen für das WC-Papier; nur so eine Idee). Zudem hinkt die Argumentation, welche auf einem Kärtchen schriftlich abgegeben wird. Sinngemäss: „Leitungswasser ist bei uns Gratis… fürs Abwaschen der Gläser und Karaffen verrechnen wir einen Unkostenbeitrag…“. Warum kostet der Liter dann fast doppelt so viel wie der halbe Liter (auch da braucht’s vier Gläser und 1 Karaffe)? Und warum kostet jede Karaffe Wasser gleich viel, wie die vorherige, auch wenn man mehrere Karaffen bestellt? (Die Gläser bleiben ja die gleichen und müssen nur einmal abgewaschen werden.) Fragen über Fragen. Natürlich, das ist Erbschenzählen. Aber gut konsumierende Kunden mit sowas zu verärgern finde ich einfach nur schade und dem sonst so genussvollen Lokal unwürdig.

3. Last but not least fehlte es mir bei der Weinauswahl etwas an Varrietät. Als Weinliebhaber der gerne neue Weine entdeckt wünschte ich mir etwas mehr Auswahl. Es gibt so viele gute (und auch biologisch arbeitende) Winzer in der Schweiz, dass ein paar Etiketten mehr im Regal die Lust aufs Wiederkehren erhöhen würden.

Unterm Strich war unser Mittagessen im Schäfli aber ein Erfolg. Die Küche ist wirklich hervorragend, ehrlich, regional und saisonal und der Service wurde, nach Anfangsschwierigkeiten immer freundlicher. In „Weinpunkten“ gesprochen würde ich dem Lokal 18 vvPunkte geben (90/100) – für die Küche und die wunderbare Käseauswahl sogar etwas mehr…

 

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
1 Antwort
  1. Zino
    Zino says:

    Hoi Adrian

    Das Verrechnen von Leitungswasser von gut konsumierenden Gästen finde auch ich eine Unsitte. Auf solche Restaurants kann und werde ich verzichten! Schade um die gute Küche.

    Gruss
    David

    Antworten

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