Meine lieben Weinbanausen.
Um was geht es in diesem Text ganz genau? Es geht um die Lieblosigkeit, dem Fernbleiben der Selbstliebe, mangelnden Respekt gegenüber der Natur und meinem Anschiss über zu viel schlechten Wein.
Ja, dieser Text ist ausschliesslich für jene, welche keine Ahnung von Wein haben. Für den kleinen Rest ist er alter Kaffee und ungefähr gleich spannend wie ein Prosecco. Allenfalls lohnt sich das Lesen noch für Gastronomen, die ihren Wein in der Prodega einkaufen.
Das Verdikt.
Kürzlich war ich in einem kleinen, wunderbar gelegenen Gartenrestaurant am See essen. Zur Auswahl gab es drei Weissweine und zwei Rotweine, allesamt aus Italien. Alle Weine kosteten im Einkauf in der Prodega wohl um die fünf Franken und wurden für stolze 40-50 Franken verkauft (Marge muss sein). Bei den beiden bestellten Weinen zog es mir die Pobacken zusammen und der Zahnschmelz ätzte es mir von den Backenzähnen. Im Glas roch es nach nichts und im Gaumen war es flach, dünn und sauer. Kurz: Es war einfach furchtbar. Fakt aber ist, dass es den anderen fünf am Tisch geschmeckt hat. Ja die fanden das sogar «isch no feine Wyy» während ich mich innerlich auflöse wie Dracula in der Sonne.
Aber auch privat läuft es oft nicht viel besser. Ganz im Gegenteil: In der Regel nehme ich, wenn ich eingeladen bin, den Wein selbst mit. Die vinophilen Abgründe sind einfach oft zu tief, als man sich darin wiederfinden möchte. Meine Weinfreunde möchte ich hier an der Stelle explizit ausschliessen, nicht das hier noch Unmut aufkommen.
Was läuft schief?
Ich gehe davon aus, dass es ganz vielen Menschen grundsätzlich nicht egal ist, was sie zu sich nehmen. Gerne setzen sie sich für die Umwelt ein (ausser man will in den Urlaub), kaufen im Laden Bio-Gemüse und auch beim Fleisch wird darauf geachtet, dass das Tier ein glückliches Leben hatte. Nur wenn es ums Thema Wein geht, scheint das nicht wirklich von Belang zu sein. Man geht mir nichts, dir nichts in den nächsten Discounter und läuft mit einer 6er Kiste Malbec für 5.90 aus Argentinien (isch geil gsi, Schnäppli gmacht), wieder hinaus. Mit etwas Glück ist es per Zufall ein biologisch produzierter Wein, aber das ist für das kleine Geld eigentlich gar nicht möglich. Dazu eine kleine Rechnung für den Laien: Der Discounter behält 40% der Rendite. Wiederum 30% wird der Importeur behalten, dazu geht noch was an den Staat für Zoll und Mehrwertsteuer. Dann bleibt noch einiges für den Transport hängen, die Flasche selbst, Korken, Etiketten und Vermarktung. Für den Weinbauer selbst, bleibt da nicht wirklich viel übrig. Um das zu verstehen, muss man auch kein grosses Mathe-Genie sein. So über den Daumen gepeilt sind das dann vielleicht noch 20-30 Rappen, die pro Flasche an den Weinbauern gehen. Nicht selten kostet die Anschaffung der Flasche mit Korken mehr als der Inhalt selbst. Für das kleine Geld kann der Winzer weder nachhaltig produzieren, noch kann er faire Löhne zahlen oder einen wirklich guten Wein herstellen. Wäre der Wein ein Tier, gäbe es sofort eine Lobby, die sich für ihn stark machen würde. Aber ebe…
Warum also kaufen viele Menschen solche Weine? Ich habe dazu eine Theorie: Weil sie es eben oft nicht besser wissen. Diesem Umstand möchte ich ein wenig Abhilfe schaffen und Sie ermuntern, damit anzufangen, Ihre Weine im Fachhandel zu kaufen. Warum ist das so wichtig? Damit Sie endlich aufhören solchen Schrott zu kaufen, der die Umwelt und damit Sie selbst nachhaltig vergiften wird. Und noch viel wichtiger, damit ich endlich überall, wo ich eingeladen bin, guten Wein trinken kann.
So, damit steht fest, dass ich hinterher von manchen als arroganten Wein-Snob tituliert werde, aber das ist ein Titel, mit dem ich grundsätzlich besser leben kann als mit einem schlechten Wein im Glas. Aber zuerst mal zurück auf Start. Habe ich schon erwähnt… Sie sollen aufhören, Plörre im Discounter zu kaufen? Ich wiederhole das absichtlich, denn es gibt dort nur wirklich selten was Gutes zu trinken. Und wenn es gut ist, wird es nicht nachhaltig sein. Und nachhaltig ist wichtig, damit wir den Schaden, den wir bereits angerichtet haben, einigermassen in Grenzen halten können. Unsere Kinder werden es uns danken.
Aber warum ist es denn für viele Menschen so schwer, sich beim Wein etwas Gutes zu tun? Ich meine da kauft man sich Porsches, fliegt Business um die Welt und für ein paar Jeans legt man locker 400 Kröten auf den Tisch. Aber wehe der Wein kostet mehr als zwanzig Franken!
Man hört ja auch nicht sein ganzes Leben lang Radio und findet das alles ganz toll. Man entwickelt sich meist weiter und kauft sich ab und an Platten und CDs von seinem Lieblingskünstler, geht an ein Konzert, Open-Air oder wenn man etwas älter ist, sogar in die Oper und findet Bach und Beethoven plötzlich spannend. Die Spitze der musikalischen Evolution wäre dann wohl, dass man Free-Jazz grossartig findet. Aber soweit wollen wir nun mal nicht gehen, das wäre dann vielleicht doch zu viel verlangt.
Im Leben eines Weintrinkers sieht das dann vermutlich so aus, dass man sich vom Lagerbier zur Weissweinschorle, via Prosecco zum Weisswein, von da zum Primitivo hin, von dort zum Merlot via Syrah und Chianti hin zum Cabernet und Riesling, dann zum Champagner und Pinot Noir und schliesslich zum Nebbiolo hochtrinkt. Dazwischen befinden sich dann je nach Vorlieben auch noch Stationen von Süssweinen. Evolution der Geschmacksknospen nenne ich das. Und in der Regel kommt dann irgendwann auch das Verständnis von Säure und Balance dazu – sollte man zumindest meinen.
Oder noch ein Beispiel: Sie trinken ja gerne Wein. Sie mögen zum Beispiel Primitivo Weine aus Italien und trinken gerne ein Chardonnay aus Kalifornien mit ordentlich Holz oder ein Sauvignon Blanc aus Australien finden Sie auch noch ganz lässig und zum Geburi darf der Prosecco natürlich nicht fehlen. Anderen Wein haben Sie natürlich mal probiert, hat Ihnen aber nicht geschmeckt, weil der zu sauer schmeckt und wie ein dünnes Wässerchen daherkamt. Soweit so gut.
Jetzt stellen Sie sich vor, Sie kochen das aller erste Mal einen Teller Nüdeli, schütten fertig Sauce drüber und hauen ordentlich geriebenen Gran Padano darüber. Jetzt finden Sie das noch ganz gut und beschliessen nie mehr im Leben was anderes zu essen. Eventuell varieren Sie noch mit der Sauce und als Krönung gibt es mal echten Parmegiano Reggiano dazu. Merken Sie was? Das ist gut.
Kürzlich sass ich also mit einer gut gereiften, wohlbehüteten und somit finanziell gut gestellten Frau am Tisch. Ihr mundete der Wein, den ich uns kredenzte sehr gut. Auf die Frage was er denn koste (29.-), staunte sie und meinte das wäre ihr zu teuer. Ich fragte sie dann, wie viele Weine sie denn in der Woche trinke, dass das zu teuer sei (kann ja sein, dass es sich um ein paar Kisten handelt, da kann man bei mehr als 30.- ja schon mal verarmen). «Mehr als zwei Flaschen seien das nie», «aber wenn Besuch kommt, dann sei das eben viel zu teuer. Die trinken ja immer so viel». Aha, also auch noch geizig. Man gönnt es sich selbst nicht und erst recht nicht den anderen. Hört damit auf! Seit grosszügig mit Euch selbst und besonders auch mit Euren Freunden. Ihr ladet Eure Freunde ja auch nicht andauernd zu McDonald’s zum Abendessen ein, sondern kocht was Leckeres.
Dann die Standardantwort von den Weinbanausen, die ich so besonders liebe: «Weisch, ich verstehe eben nichts von Wein. Da habe ich null Ahnung von». Aber dann medizinischer Experte sein, wenn es ums Impfen und Covid-19 geht, das ist dann im Gegensatz dazu kein Problem. Auch politische oder andere komplexe Themen, für vieles hat der Weinbanause eine Meinung. Nur nicht, wenn es um Wein geht. Leute, tut euch den Gefallen und beschäftigt euch ein wenig mit dem Thema. Es ist nicht wirklich soo schwer! Und ja, Rotwein erkennt man primär daran, dass er rot ist. Aber es gibt dann schon noch den einen oder anderen Qualitätsunterschied und das ist auch nicht soo schwer zu erkennen, wenn man denn mal bereit ist mehr als sechs Franken für eine Pulle Vino auszugeben.
Und zum Schluss noch dies: Restzucker. Das ist quasi der Zucker, der im Wein übrig bleibt, nachdem der Rest zu Alkohol vergoren wurde. Dieser Zucker kann dem Wein etwas Körper und Fülle geben. Und wenn er in guter Balance zur Säure steht, kann er auch durchaus seine Berechtigung haben. Und ja, mir ist schon klar, dass wir alle mit Muttermilch gross geworden sind und auch ich habe nicht von Anfang an Knochen-Trockene Weine gemocht und auch heute muss es nicht immer ein Laserschwert an Säure sein, die einen Wein auszeichnet, damit ich ihn mag. Aber zu oft wird in der Masse Wein produziert, welcher durch das hohe Mass von Restzucker ein pomadiges Wässerchen entstehen lässt, das die Persönlichkeit eines nassen Waschlappens hat.
Die Lösung
So – und nun präsentiere ich hier die (vermeintliche) Lösung all dieser (meiner) Probleme: Gehen Sie in den Fachhandel und erzählen Sie dort von Ihrem Problem, das bisher für Sie ja gar keines war, aber jetzt eines ist, weil ich Sie darauf aufmerksam gemacht habe. Ist im Fall total gern geschehen! Teilen Sie dem Händler also mit, dass Sie bisher nur Primitivo und Pinot Grigio aus dem Discounter mochten und gerne etwas den Horizont erweitern möchten. Gerne auch Bio und/oder biodynamisch produzierte Weine kosten möchten und man Sie doch bitte langsam an das Thema heranführen möchte. Bitten Sie den Händler, Ihnen doch ein paar Flaschen einzupacken, die Sie dann Zuhause in Ruhe probieren können. Kurz: Lassen Sie sich beraten.
Gehen Sie auch an Weinmessen und probieren Sie sich dort durch das gesamte Angebot. Das heisst nicht, dass Sie alles schlucken müssen was Sie im Glas haben. Fragen Sie nach einem Spuckbecher und vergleichen Sie so viel wie immer möglich. Ihr Gaumen wird lernen, Sie werden langsam anfangen zu verstehen und et voila!
Wenn Sie dann etwas gefunden haben, was Ihnen schmeckt, dann erzählen Sie das beim nächsten Besuch beim Weinhändler. Als Dealer Ihres Vertrauens, wird er Ihnen mehr vom guten Stoff überlassen und Sie können Ihren Horizont erneut erweitern – and so on. Sie werden dann relativ schnell feststellen, dass das Universum Wein doch mehr als Luca Maroni Punkte und Restzucker zu bieten hat und wenn Sie mal von Zeit zu Zeit das Bedürfnis haben, sich zu betrinken, machen Sie das mit Vodka. Das ist effizienter und auch billiger als billigen und schlechten Wein in sich hineinzuschütten.
Wenn Sie diese Regel befolgen, dann wird aus Ihnen bald ein richtige Wein Connaisseur. Ein Mensch, der als grosszügig wahrgenommen wird und Selbstliebe ausstrahlt und natürlich auch etwas wie James Bond rüberkommt, wenn er denn blind die Traubensorte, den Jahrgang und das Château erraten kann. Und wer bitte, will nicht ein klein wenig wie James Bond sein?!
Das wars. Mir geht es jetzt, in der Hoffnung die Welt zu einer besseren gemacht zu haben, wesentlich besser und ich kann jetzt entspannter im Keller an den Weingestellen meiner Nachbarn vorbeigehen, weil ich jetzt fest davon überzeugt bin, dass sich der Anblick in Kürze ändern wird. Wenn nicht, weiss ich ja, wo der gute Stoff liegt.
Die jetzt folgenden Danksagungen vom Fachhandel, nehme ich gerne in flüssiger Form entgegen. Die Versandadresse dafür entnehmen Sie dem Impressum. Wenn Sie Porto sparen möchten, nehmen wir auch Geld für unser «Mittagswein-Kässeli» entgegen. Überweisungen bitte mit dem Vermerk «Mittagswein». Die Kontonummer finden Sie hier. Für Beschimpfungen können Sie einfach die Kommentarspalte weiter unten nutzen. Es grüsst Sie freundlich, Ihr Philipp Uehlinger
NB: Die Kolumne gibt die Meinung des Autors Philipp Uehlinger wieder und muss sich nicht mit der Meinung der vvWine Redaktion zu einem bestimmten Thema decken.
Irgendwie der falsche Blog und das falsche Publikum für diesen zugegebenermassen amüsanten Text von Philipp. Vielleicht bei Blick oder 20 Minuten einreichen. Dann aber deutlich kürzer halten!
Lieber Roger, danke für den Hinweis und ja, viele vvWine Leser dürfte das Thema selber weniger betreffen, doch in unserem Umfeld hat wohl jeder schon mit dem Thema Kontakt gehabt. Cheers, Adrian
Sehr nett geschrieben und echt auf den Punkt gebracht. Ein großes Problem ist, dass heute alles so schnell konsumiert wird, dass man gar nicht mehr merkt (geschweige denn sich merken kann), was man da zu sich nimmt.
Einfach mal innehalten, überlegen, wann man diese Aromen schon mal gerochen oder wahrgenommen hat. Schnelllebigkeit gepaart mit Geiz – da hat ein guter Wein kaum Chancen.
Als Importeur in Brasilien versuche ich, meinen Kunden die Vorzüge guter Terroir-Weine schmackhaft zu machen. Bei Preisen, die oft sechsmal so hoch sind wie in Deutschland oder der Schweiz, weil der Fiskus unglaublich zuschlägt.
Mit dem Inhalt bin ich ja zu 100% einverstanden.
Dass eine Kolumne aber derart schluderig abgefasst und wohl kaum gegengelesen wird, ist ein Jammer. Immerhin wurde doch Respekt angemahnt und Lieblosigkeit angeprangert.
Schade, aber wirklich zum Kotzen!
Da frage ich mich, welcher Werner seinen Namen so schluderig schreibt…