Lasst die Weissen etwas liegen.
Im Rahmen eines virtuellen Stammtisches, der von meinem Weinfreund Tobias Hess initiiert worden ist, war das Thema «Weisse Burgundersorten» angesagt. Mit dabei bei dieser Zoom-Konferenz war auch Raphael Hug, Weinmacher beim Scadenagut in Malans mit dabei, der seit 2012 Schritt für Schritt die Nachfolge von Peter Wegelin übernimmt. Die Wegelin-Weine gehören seit Jahren zu meinen Favoriten und so lag es für mich auf der Hand, dass zumindest ein Wegelin-Wein bei diesem virtuellen Tasting nicht fehlen darf. Ich entschied mich für den 2013er Chardonnay und siehe da – wie wenn wir uns abgesprochen hätten (haben wir aber nicht) – stand auch bei Raphael Hug ein 13er Chardonnay von Wegelin im Glas. Und wie der Wein im Glas stand: Chapeau!
2013, Malanser Chardonnay, Peter Wegelin, Scadenagut, Malans, Graubünden, Schweiz (100% Chardonnay). Kräftiges Gelb. Nach dem Öffnen etwas verhalten, leicht rauchig, braucht Luft und Zeit, entwickelt sich schon rasch sehr schön, zeigt Noten von reifen Zitrusfrüchten, Apfel, Quitten und darüber weisse Blüten und Caramel (diese erinnern mich an Barrique, doch der Wein ist zu 100% im Stahltank ausgebaut). Im Gaumen cremig und rund, mittlerer Körper, schöner Schmelz, wird über mehrere Stunden genossen immer frischer, schlanker, straffer, knackiger, keine Spur von Altersnoten. Im Abgang von sehr guter Länge, endet steinig und kühl auf Zitrusfrüchte. Dieser Chardonnay steht noch immer wie eine 1 im Glas. Jetzt bis 2025+ geniessen, 18.5 vvPunkte (92/100).
Jean-François Ganevat, Kultwinzer und Vorreiter des Vin Naturel füllt seine Weine ohne Zugabe von Schwefel ab. Er gehört bei Weinfreaks zu den angesagtesten Produzenten und entsprechend schwer sind seine Weine zu bekommen. Ganevat kultiviert neben den bekannten Sorten Savagnin, Trousseau, Poulsard und Chardonnay auch eine Vielzahl autochthoner Sorten des Jura die kaum bekannt sind: Geuche noir, Portugais bleu, Petit Béclan, Grand Béclan oder Seyve Villard und ich muss zugeben, ich konnte sie allesamt noch nicht probieren. Was ich aber vor einigen Jahren ergattern konnte, waren einige Flaschen seines Chardonnay «Les Grands Treppes Vieilles Vignes». Diese Cuvée ist quasi ein Klassiker von Ganevat. Sie besteht zu 100% aus Chardonnay, deren Rebstöcke tief in den kalkhaltigen Böden und Unterböden aus rotem Mergel und Lias wurzeln und den Weinen viel Konzentration und Mineralität verleihen.
2013, Côtes du Jura «Les Grands Teppes Vieilles Vignes», Jean-François Ganevat, Jura, Frankreich (100% Chardonnay). Dunkles Gelb, wirkt reif. In der Nase ein faszinierendes Spiel aus oxidativen Tönen, Tee, reifen Äpfeln, Guaven, Bergamotte, Mandarinen und auch nussigen Aromen, sehr komplex. Im Gaumen kräftig und druckvoll, straff, säurebetont, sehr gute Struktur und ordentlich Zug, das Holz ist sehr gut integriert, dominiert in keiner Weise, äusserst leichtfüssig und elegant, mit knackiger Frucht, die an weisse Johannisbeeren und Zitronen erinnert zieht sich der Wein in ein langes, kräuterwürziges Finish. Eigentständig, charaktervoll, I love it. Jetzt bis 2025+ geniessen. Nicht besser, aber anders als der Wegelin. 18.5 vvPunkte (92/100).
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