2x XXL hits van Velsen
Es war Mitte Dezember letzten Jahres, als ich via Newsletter von Vicampo auf das Luca Maroni XXL Verkostungssiegerpaket aufmerksam gemacht wurde. Normalerweise ist mir der Kraftaufwand zum Löschen solcher Mails schon viel zu hoch, doch dieses eine Mal löste das Mail ein hämisches Grinsen aus, denn ich hatte die meiner Meinung nach geniale Idee, meinen lieben Freund Adrian mit diesem Degustationspaket zu überraschen. Quasi ein Duell der Wein-Titanen, Maroni vs. van Velsen, Italien vs. Schweiz/Holland. Schliesslich kenne ich nicht viele Menschen, die man mit literweise Apasimento, Primitivo und sonstigem restsüssen Traubensaft so richtig ans Eingemachte gehen kann, wie dem Eleganz-Liebhaber Adrian. Wäre er Superman, wären Luca Maroni Weine sein Kryptonit. Wer sonst, wenn nicht er, könnte also besser den Bewertungen von Luca Maroni auf den Zahn fühlen?
Ich habe also beschlossen, mir dieses Paket zu ordern, und mich ganz selbstlos und im Interesse der Allgemeinheit in Unkosten zu stürzen, die ich sonst wohl so nie getätigt hätte. Dabei habe ich nie das Ziel aus den Augen verloren, den Adrian mit eben diesem Paket hinterhältig zu überraschen. Die Vorfreude liess mich monatelang kaum schlafen. Aber dann kam der Tag, der dank der fleissigen Mitarbeit von weiteren, konspirativen Mitverschwörern, endlich Wirklichkeit wurde.
Eines noch vorweg: Es ging dabei nicht darum, sich über den Luca Maroni lustig zu machen, sondern sein Bewertungsschema zu überprüfen. Die Bewertungsmethode des charmanten Herrn, der stets in bestem Anzug auftritt, fusst auf drei Parametern, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
- Konsistenz (Maroni meint damit die Konzentration)
- Ausgewogenheit (also die Balance von Frucht, Süsse, Säure, Alkohol und Tannin) und
- Integrität (die Reintönigkeit, die Abwesenheit von Weinfehlern also)
Für jeden dieser drei Parameter vergibt Luca Maroni maximal 33 Punkte, was im Idealfall 99 Punkte für einen Spitzenwein ergibt. Da kommt es schon mal vor, dass ein Wein für weniger als 15 Franken die Höchstnote erhält, weil er nach Meinung des Maestros das absolute Genussmaximum verspricht, wenn nicht sogar das Equilibrium im Universum herstellt. Und so kollidieren die Maroni-Punkte mit dem 100-Punkte-System anderer Kritiker in etwa so, wie wenn ein Komet mit 50km Durchmesser auf die Erde trifft.
He likes, what we don’t like
Das Gute vorweg: Es hatte auf 12 Flaschen nur einen Wein mit einem Weinfehler. Alle anderen waren sauber und reintönig, womit die ersten 33 Punkte bei elf von zwölf Tropfen bereits gesichert waren. Dann die Konsistenz: Auch wenn Wein natürlich immer Geschmackssache ist, scheint Luca Maroni primär fruchtbetonte, intensive Weine zu schätzen, die kraftvoll und dicht sind, wie es in 1’000 Metern unter Wasser dunkel ist (da sehen Sie die Hand auch nicht vor Ihren Augen). Leichte, frische, filigrane Weine? Komplette Fehlanazeige bei Maroni. Dann schon lieber Weine, die einem im Stil des Mike Tyson in die Fresse hauen, als klapprige Models oder Balletttänzer*innen. Und dann wäre da noch das mit der Balance. Ehrlich gesagt wurden unsere schlimmsten Befürchtungen teilweise sogar noch weit übertroffen. Nach der Degustation war klar, dass Maroni höchstens zwischen süss, sehr süss und extremsüss unterscheidet. Säure? Was bitte ist Säure? Und so war unser Fazit auch klar: Das Maroni-Bewertungs-System ist vor allem aufgrund der fehlenden Balance ein Fail. Vom Gleichgewicht der Elemente war weder für mich, noch für den überraschten Adrian etwas zu spüren.
Wie dem auch sei. Wir haben uns tapfer durch die zwölf Flaschen Wein gekämpft. Und wir haben sogar einen «Lieblingswein» gefunden. Es war die erste Flasche, die wir probierten. Den «Masso Antico Collezione Oro Negroamaro Bio 2018» der von Luca Maroni mit fast schon kleinlichen 96 Punkten gestraft wurde. Ich wagte schon im Vorfeld der Probe die Prognose, dass uns dieser Wein möglicherweise am besten schmecken würde, und ich sollte Recht behalten. Mein Tipp also für alle Supermarkt-Maroni-Punkt-Weinkäufer*innen mit einem minimalen Hang zur Finesse: Je weniger Luca Maroni Punkte, desto besser der Wein. Wenn Sie aber auf sicher gehen wollen, dann schauen Sie, dass der Wein überhaupt gar keine Maroni Punkte erhalten hat – keinen einzigen. Denn dann ist der Wein mit hoher Wahrscheinlichkeit noch besser. Doch sehen Sie selbst:
Ich fasse zusammen: Alle Weine sind sauber gemacht und es gab – vom einen Korkfehler einmal abgesehen (was bei den besten Häusern auch vorkommen kann) – keine fehlerhaften Weine. Wenn man aber der Muttermilch entwachsen und in den Jahren seiner Trinkerkarriere etwas fortgeschritten ist, wird es enorm schwierig, auch nur etwas Gefallen an diesen Weinen zu finden. Denn sie sind süss, sehr süss, zu süss.
Aber, und jetzt kommt es: Wir haben alle Flaschen hinterher unseren Nachbarn verteilt und ihr Feedback war einheitlich positiv. Alle haben sich sehr über die Flaschen gefreut und uns mitgeteilt, dass die Weine bestens gemundet haben. Ok, der Hinweis, dass es etwas süss war ist immerhin zwei Mal erwähnt worden. Trotzdem schien es den Leuten zu schmecken. Da bleibt wohl nur noch so viel zu sagen: De Gustibus non est disputandum (oder doch?).
Rezept für Scaloppine al Limone «Bello Adriano»
– Nudelwasser zum Kochen bringen, Grill vorheizen.
– Frühlingszwiebeln, frischer Knoblauch und Cherry-Tomaten klein schneiden.
– Zesten von einer Bio-Zitrone abreiben und die Zitrone in Filets schneiden.
– Kalbs-Paillard in Olivenöl marinieren, mit Zitronenpfeffer würzen.
– Zwiebeln und Knoblauch mit Olivenöl anbraten.
– Mit Zitronensaft und etwas Weisswein ablöschen.
– Einen Löffel Lavendelhonig dazugeben und etwas einkochen lassen.
– Mit etwas Kalbsfond und Sahne auf Saucen-Konsistenz bringen.
– Ganz am Schluss die Cherry-Tomaten in die Sauce geben (ca. 1-2 Minuten)
– Die Nudeln al dente Kochen und kurz bevor sie fertig sind…
– das Fleisch auf dem Grill auf jeder Seite 20-30 Sekunden anbraten.
– Sofort auf den im Ofen vorgewärmten Tellern anrichten, mit Zitronenzesten und frischen Kräutern dekorieren und servieren.
En Guete!
MARONI hat wohl immer einen sitzen. Würde mich nicht wundern, wenn ein WinzerIN, das eines Tages nicht mehr mitmacht. Kenne mich seit 1985 aus, wie Italien funktioniert. Habe ein Intervieuw gegeben einem Privaten TV Team, als ich 1990 in Palermo bei einem meiner Lieferanten war. Sofort gelernt, dass man das Wort MAFIA nie sagen darf, aber La Famiglia schon. Mag Sizilien und Italienische Weine. Danke für mutigen Bericht.
Danke für die Rückmeldung. Es soll ja ein Augenzwinker sein, aber die Restsüsse in diesen Weinen ist schon heftig…
Cooler Bericht, der ein Sonntagmorgen-Schmunzeln ausgelöst hat! Und sehr eloquent und flüssig geschrieben, vielleicht einfach zu wenig süss 🙂
DAnke für die Rückmeldung – wir hatten trotz klebrigen Weinen Spass bei der Arbeit 🙂
Absolut köstlich (der Beitrag) wie immer die Gastblogs von Philipp. So werden trübe Sonntage gerettet.
Ist schon erstaunlich wie sich Maroni verkaufen kann. Da wird der Eine oder Andere Euro von den Händlern wohl dankend überwiesen.
Kann es sein, dass der Philipp die viel grössere Portion auf dem Teller hatte 🙂
Einfach nur zwei Worte: Sehr cool
Und das Rezept für die Scaloppine al Limone wird demnächst probiert
Vielen Dank für die positiven Rückmeldungen. 🙂
Amüsanter Beitrag der einmal mehr zeigt: Weinkritik ist hilfreich (wenn man die Vorlieben des jeweiligen Autors kennt), Weinbewertungen mit Punkten sind vielfach Schwachsinn. Man stelle sich vor, Theater-, Kunst- oder Buchkritiker würden Punkte verteilen! Bei der Weinkritik funktioniert die intime Allianz zwischen „Kritiker“, Produzenten und Weinhändler seit jeher.